Schätze im maroden Stahl-Bunker

10.01.2011 | Stand 03.12.2020, 3:16 Uhr

Scheibenfibel aus Unterhaching, um 500 n. Chr. - Foto: Eberlein

München (DK) Lederstiefel einer Moorleiche und kurios gewundene Trinkgläser, rätselhafte Schmuckstücke und zerbrochene Tonteller – vielfältig sind die 125 Glanzstücke, die in der Archäologischen Staatssammlung aus dem Depot geholt wurden.

Das Museum will zeigen, was es besitzt – Anlass ist das 125-jährige Bestehen der Sammlung. Und doch ist die Jubiläumsausstellung unter dem weit gefassten Titel "Menschen und Dinge" nicht nur ein Grund zum Feiern. Denn das 1974 an der Lerchenfeldstraße am Englischen Garten errichtete Haus muss dringend saniert werden. Von außen eindringende Feuchtigkeit, Kondenswasser und Algen verursachen Schäden im Inneren – von außen ist der Moosbewuchs der Cortenstahl-Platten augenfällig. Holt sich die Natur zurück, was der Mensch dem Boden entrissen hat, weil ein Sanierungsstau das Museum unbenutzbar macht

Museumsdirektor Professor Rupert Gebhard gibt sich ruhig und gelassen. Man habe einen Bauantrag beim Staatlichen Hochbauamt gestellt, Pläne für eine Sanierung, einen Umbau, eine Erweiterung der Ausstellungsflächen liegen vor. Auch die Depots platzen inzwischen aus allen Nähten, zu viel wird bei Bauarbeiten in bayerischer Erde gefunden, was konserviert, katalogisiert und vielleicht auch einmal ausgestellt werden muss. Bayern war schon immer ein Einwanderungsland – und viele Kulturen haben hier ihre Spuren hinterlassen, nicht nur die Römer. Aber gerade eine Schau wie "Luxus und Dekadenz – römisches Leben am Golf von Neapel" hat 2009 rund 85 000 Besucher angelockt – und mit einer modernen Ausstellungsarchitektur, semitransparenten Foto-Wänden, akustischen Reizen und Video-Animationen Lust gemacht auf eine mediale Vermittlung von Archäologie.

Daran ist in einer Architektur, die an einen modernen Stahl-Bunker erinnert und die zentimetergenau Form, Größe und Position der Vitrinen vorgibt, nicht zu denken. Dennoch hat man sich zum Jubiläum Mühe gegeben. Zu sehen ist manches Prunkstück, das in früheren Ausstellungen zu sehen war – nun aber in einem neuen Kontext. Der Katalog fächert die Themen auf, die in der Schau zumindest angerissen werden.

Zum Stichwort "Kommunikation" findet sich beispielsweise ein zerbrochener Tonteller, gefunden in Pförring im Landkreis Eichstätt, auf dessen Rückseite ein gewisser Momacus seinen Bruder bittet, elf Servierplatten herzustellen. Datiert wird das Exponat auf das zweite Jahrhundert nach Christus, und der 20 Zentimeter kleine Teller dokumentiert mithin den hohen Alphabetisierungsgrad der Provinzbevölkerung von Raetien.

Spektakulärer als diese Tonscherben sind auf den ersten Blick sicher die Scheibenfibeln aus dem frühen Mittelalter, gefertigt aus Gold, Malachit und Granat, oder die Krone aus goldenem Schmuckblech aus der Bronzezeit.

Auch die Frage, wer wohl aus den kuriosen Glasbechern aus dem 6. Jahrhundert getrunken hat, wäre spannend, denn durch die vielfachen Windungen fließt die Flüssigkeit unberechenbar in den Mund – oder eben daneben. Fasziniert waren von solchen Ausgrabungsstücken bereits 1760 die Wittelsbacher, die eine Altertumssammlung aufbauten. Kernstock des Museums aber ist eine prähistorische Sammlung, die der Anthropologe Professor Johannes Ranke 1885 dem Königreich Bayern übergeben hat. Und bereits im Jahr 1808 erging ein königlicher Erlass an alle Untertanen, Fundstücke aus Äckern, Wäldern und Bauplätzen abzuliefern. Ob der Bayerische Staat trotz leerer Kassen nach dem Landesbank-Debakel seine Verantwortung für diese Schätze aus bayerischer Erde wahrnimmt, wird sich zeigen.