Salzburg
Die dreifache Lulu als Flop

Salzburger Festspiele: Lahmer Applaus und Buhrufe für Inszenierung von Frank Wedekinds "Monstretragödie"

18.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr

Salzburg (DK) Große schwarze Ballone (symbolisch für Punchingbälle oder Reminiszenzen an Weihnachtskugeln) schweben über der ansonsten leeren Bühne und sollen wohl Mystisches signalisieren. Aber die von Florian Lösche entworfenen Objekte können auch für die Trostlosigkeit dieser Neuinszenierung von Frank Wedekinds "Lulu"-Tragödie stehen, die auf der Off-Off-Bühne des Salzburg-Festivals auf der Perner-Insel in Hallein stattfand.

Von einer "Monstretragödie", wie der Bürgerschreck Wedekind dieses Drama vom Jahre 1894 bezeichnete, hier keine Spur, sondern nur lähmende Langeweile, die durch Videoprojektionen von Emjoys und Frauengesichtern mit klimpernden Wimpern auch nicht spannender geworden ist.

Die griechische Filmregisseurin Athina Rachel Tsangari, die hier ihre erste Theaterarbeit ablieferte, wusste mit diesem Drama über das Männer verschlingendes Vollweib absolut nichts anzufangen. Wedekind (1864-1918) stilisierte Lulu als laszive Kindfrau und femme fatale, als umjubelte Tänzerin und Prollmädchen mit sozialem Aufstiegswillen, als laszive Salonschlange und anlehnungsbedürftiges Kaschemmenweibchen in Schwabings Bohemezirkeln der 1890er-Jahre. Die Männer lockt sie scharenweise an und verstößt sie wieder, sie gurrt und girrt mit ihren weiblichen Reizen, will das Leben in vollen Zügen genießen und wird zum Schluss, als billige Nutte im Londoner Rotlichtviertel gestrandet, das Opfer ihrer erotischen Ausstrahlung und ihres unbekümmerten Wesens.

Doch leider nichts von alledem in dieser Aufführung, stattdessen eine krude Mischung aus einem trägen Konversationsstück, einem faden Feenspiel und einem nichtssagenden Märchen-Plauderstündchen. Eine Neuinszenierung von Wedekinds einst von der Zensur verbotenem Stück, das hier weit unter dem Niveau von Festspielen vor sich hinplätschert. Mag die Idee der Regisseurin, Lulu hier in dreifacher Gestalt auftreten zu lassen, womöglich zum Nachdenken über Frauenpower und Feminismus animieren, so kommt diese Intention völlig unausgegoren und indifferent über die Rampe. Noch dazu wenn diese drei Lulus als Trio stets synchron sprechen, in Dreieinigkeit über die Bühne schreiten, robben, tänzeln und zwischen roten Fantasiekostümen und rosafarbenen Baby Doll-Eisbärfellen (von Beatrix von Pilgrim) uni gekleidet sind.

Die von diesem Frauentrio angelockte und bald wieder verstoßene Männerriege kriecht wie aus Mauselöchern auf die Bühne, um nach albernen Scherzchen schnell wieder dorthin zu verschwinden. Und als Lulu (bei Wedekind) als lebenslustiges Mädchen auf der Suche nach Liebe und Luxus, nach Sex und Geborgenheit in Paris gelandet ist und hier in die Hände von üblen Glücksrittern und miesen Zuhältern fällt, glaubte die Regisseurin diese Szenen mit wenig liebesbedürftigen Vertretern des "starken Geschlechts" mit überreichlich Tänzchen als harmloses Rokoko-Pläsier präsentieren zu müssen. Dazu darf Benny Claessens als Rodrigo (im Original ein brutaler Tierbändiger) eine lächerliche Travestieshow abziehen. Banaler geht's kaum noch.

Einzig im letzten, dem in London spielenden Akt wird das Dreierbündnis der Lulus aufgehoben: Während Lulu drei im Hintergrund das Geschehen völlig emotionslos verfolgt, stürzt sich Lulu zwei auf Lulu eins und erwürgt sie als Jack the Ripper. Frisst der Feminismus damit sich selbst? Sind die Frauen damit der Frauen größte Feinde? So genau lässt sich dieser Schluss so wie die ganze Aufführung, der die Regisseurin jegliche Dramatik, jegliche Spannung und auch jegliche Erotik gänzlich ausgetrieben hat, eh nicht deuten.

Schade ist's vor allem um die hauptsächlich aus Wien und München angereisten, ansonsten so trefflichen Schauspielerinnen und Schauspieler, die hier weit unter ihrem Können in farblose Rollen gesteckt wurden: Anna Drexler, immerhin von der Fachzeitschrift "Theater heute" zur "Nachwuchsschauspielerin" des Jahres" gewählt, Isolda Dychauk und Ariane Labed, müssen ein wenig aufregendes Lulu-Trio abgeben, Rainer Bock gibt einen emotionslosen Conferencier ab, Steven Scharf geistert als Lulus Münchner Mäzen Dr. Schöning in Gestalt eines Möchtegern-Mephisto über die Bühne, während Fritzi Haberlandt als Furcht einflößende lesbische Gräfin Geschwitz nur eine graue Maus abgeben darf.

Nach zwei Stunden Langeweile gab es nur kurzen, lahmen Applaus und ebenso flaue Buhrufe des Premierenpublikums. Die letzte Schauspielpremiere bei den Salzburger Festspielen: ein Flop. Schade.

Die nächsten Aufführungen von Lulu sind am 20., 22., 24., 25., 27. und 28. August; Kartentelefon: (00 43) 66 28 04 55 00 oder www.salzburgerfestspiele.at" class="more"%>.