Rostock
Emotionale Achterbahnfahrt

Die neue "Polizeiruf"-Folge aus Rostock spielt im Milieu der Hooligans

26.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:03 Uhr

Gefahr aus der Vergangenheit: Die Ex-Ultra Doreen (Lana Cooper) und ihr Sohn haben sich mit Patrick Timmermann (Frederic Linkemann) eine neue Existenz aufgebaut. - Foto: NDR/Schroeder

Rostock (DK) "Es geht um ein bestimmtes Lebensgefühl, um das Fremdsein in der Welt, das spezifische Milieu der Ultra-Szenen ist nur einer von verschiedenen möglichen Zusammenhängen, in denen man diese Geschichte erzählen könnte", sagt Regisseur Matthias Tiefenbacher über den "Polizeiruf 110: Einer für alle, alle für Rostock". Der ist in der Ultra-Szene eines Rostocker Fußballvereins angesiedelt.

Ein Krimi mit harten Szenen und einem insgesamt sehr physischen Erzählstil.

Hooligans der "Red Rostocks" prügeln sich mit einer Ultra-Gruppe des gegnerischen Vereins. Die Polizei sprengt den Fight, einer der Beteiligten wird auf der Flucht vor einen Lkw gestoßen. Es stellt sich heraus, dass er einer der beiden Zeugen war, die vor sieben Jahren ausgesagt haben, dass Ultra Stefan Monke (Lars Myhr) einen Polizisten in den Rollstuhl geprügelt hat. Jetzt wurde Monke aus dem Gefängnis entlassen. Wollte er sich rächen? Aber weiß er überhaupt, wer ihn verraten hat? Er sucht Kontakt zu seiner Ex-Flamme Doreen. Die führt mittlerweile ein bürgerliches Leben, hat einen Sohn. Den will der martialisch auftretende Momke sehen, er glaubt, dass er Thores Vater ist, und ahnt nicht, dass auch Doreen ihn damals bei der Polizei schwer belastet hat.

Die Kommissare Alexander Bukow (Charly Hübner) und Kollegin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) tauchen mitten hinein in die Szene. Er marschiert mit den Ultras, sie kennt die Beteiligten bestens, hat damals Momke verhört, aber nichts aus ihm herausbekommen. Die Ermittler suchen auch den damals ins Koma getretenen Polizisten Kaschau auf, der kaum etwas vom Leben mitbekommt und von seiner Frau aufopferungsvoll gepflegt wird. Autor Wolfgang Stauch erinnert mit seiner Story an einen realen Fall: 1998 bei der Fußball-WM wurde das Leben des französischen Gendarmen Daniel Nivel von deutschen Hooligans zerschmettert. Er hat überlebt, ist aber bis heute ein Pflegefall.

Matthias Tiefenbacher hat das Milieu stimmig inszeniert, es gibt reichlich Action (Verfolgungsjagden, rituelle Kämpfe), aber auch sehr intensive, dichte Szenen. Auf große Rückblenden hat er verzichtet, die braucht die Geschichte auch nicht, sie funktioniert so bestens.

Nicht nur die Sprache ist hart, auch die Typen dieser Szene, inklusive der in die bürgerliche Welt zurückgekehrten Doreen. Lana Cooper spielt diese junge Frau zwischen Mutterrolle und gewalttätiger Vergangenheit sehr intensiv und auch beängstigend. "Einer für alle, alle für Rostock" ist nicht nur ein Krimi über Hooligans, über Menschen, die keinen Bezug zur Normalität haben, die ohne Gewalt nicht leben können. Es ist auch ein Film über zwei Kommissare auf emotionaler Achterbahnfahrt: Bukow hat die Trennung von seiner Frau längst noch nicht verkraftet, trinkt, lässt sich gehen. Kollegin König hat die traumatischen Erlebnisse des letzten Falls, als sie beinahe Opfer einer Vergewaltigung geworden wäre, noch nicht verwunden. Sie muss einen Bericht über die Vorkommnisse und ihren brutalen Ausraster schreiben, ist hin- und hergerissen. Bukow will für sie aussagen. In einer starken Szene geben sich die beiden in einer Kneipe die Kante, sie will tanzen, er meint, er könne das nicht, darauf sie: "Dann stellen Sie sich in die Mitte und ich tanze um Sie rum." Es knistert, aber es funkt nicht zwischen beiden, auch wenn Bukow ihr am Ende offenbart: "Sie sind inzwischen der Mensch auf der Welt, der mir am meisten bedeutet."

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.