Röttingen
"Glotz nicht so romantisch"

Donald Berkenhoff inszeniert Brecht bei den Frankenfestspielen

23.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:53 Uhr

Skelettierte Fassung: "Die Dreigroschenoper" benötigt in Röttingen nur sieben Schauspieler. - Foto: Frankenfestspiel Röttingen

Röttingen (DK) Jetzt ist Knut Weber nicht nur Intendant des Stadttheaters Ingolstadt, sondern auch der Frankenfestspiele Röttingen. Zum Auftakt der Spielzeit inszenierte Donald Berkenhoff, sein Stellvertreter in Ingolstadt, "Die Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht und Kurt Weill in dem Freilichttheater vor der Burg Brattenstein.

Suchen bei Luigi Pirandello sechs Personen einen Autor, so haben in diesem Fall sieben Personen einen Autor, einen Komponisten und dazu noch ein ganzes Stück gefunden, für dessen Aufführung man eigentlich das Drei- bis Vierfache an Personal benötigt. Doch bei den Frankenfestspielen Röttingen kommt kein Orchester zum Einsatz, da hört man Kurt Weills Komposition lediglich in einer Klavierfassung, gespielt von Walter Lochmann. Dazu werden sämtliche Rollen von vier Schauspielern und drei Schauspielerinnen verkörpert.

Zu Beginn tritt das gesamte, überwiegend schwarz gekleidete Ensemble auf und versucht, mit dem Publikum in Kontakt zu kommen. Dann singt es im Kollektiv die Moritat von Mackie Messer. Im Hintergrund liegen blaue Müllsäcke, die Kleider enthalten. Danach wird der auch in diesem Fall unvermeidliche, aus grauen und weißen Leinenteilen bestehende Brecht-Vorhang quer über die Bühne gezogen. Er, auf dem zu lesen steht: "Erst kommt das Fressen", ist bis zur Pause der Hintergrund der von Charlotte Labenz - die auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet - und Simone Manthey gestalteten Bühne. Nach der Pause wird er geöffnet und danach werden auch Brecht-Zitate aus der "Dreigroschenoper" oder Erkenntnisse aus dem Stück auf die Wand der Burg projiziert, wie etwa "Glotzt nicht so romantisch". Und dieser Spruch gilt denn auch für Berkenhoffs gesamtes Unterfangen einer in ersten Linie originellen, nicht aber der komplexen Vorlage gerecht werdenden Inszenierung.

Wer das Stück nicht kennt, hat es bei dieser Aufführung schwer, die Zusammenhänge der Geschichte zu verstehen. Doch der hohe Bekanntheitsgrad der "Dreigroschenoper" ist nicht Rechtfertigung genug, um eine solche skelettierte Fassung des Stücks vorzustellen, die in Röttingen mit einer Spielzeit von knapp zwei Stunden auskommt. Dass man zuweilen der Meinung sein kann, es seien eben die bekannten Songs mit Zwischentexten aneinandergereiht, versteht sich von selbst.

Die Rollenverteilung hat dazu zur Folge, dass sich die sieben Personen auch nicht unbedingt charakteristisch profilieren können. Max Gertsch gibt einen im Grund weder als vermeintlicher Kavalier noch als echter Ganove ausgewiesenen Mackie Messer. Jeff Zach ist der eigentlich biedere Peachum, bei dessen Firma "Bettlers Freund" Ernst Matthias Friedrich als Filch anheuert, um ins Geschäft zu kommen, und der dann in der Aufführung nicht nur als Bettler, sondern als Allzweckwaffe eingesetzt wird. Susanne Szell als Mrs. Peachum gaukelt in der "Dreigroschenoper" stimmlich große Oper vor und mimt die Diva. Pfiffig, frech und sexy ist Andrea Frohn als Polly.

Mirko Böttcher als Tiger Brown im Cowboy-Look hat die Akten von Macheath geschreddert. Frederike Faust gefällt gleich in zwei Rollen, als Lucy und Hure, sowohl gesanglich als auch spielerisch. Zum Schluss kommt kein reitender Bote, um Captain Macheath zu retten. Vielmehr endet die Aufführung mit den Schlussstrophen des Dreigroschenfilms von 1930: "Denn die einen sind im Dunkeln/Und die andern sind im Licht./Und man sieht die im Lichte/Die im Dunkeln sieht man nicht". Licht aus.