Röttingen
Eliza Doolittle spielt Trompete

Frankenfestspiele Röttingen: Knut Weber inszeniert "My Fair Lady" mit Antje Rietz in der Hauptrolle

30.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:51 Uhr

Wo Antje Rietz ist, da ist auch eine Trompete. Als Eliza Doolittle ist die Schauspielerin in Röttingen zu sehen. - Foto: Gura

Röttingen (DK) Als überhaupt erstes Musical in der Geschichte der damaligen Festspiele Röttingen, die bis ins Jahr 1984 zurückreicht und die nun in der fünften Spielzeit als Frankenfestspiele Röttingen firmieren, wurde 2005 "My Fair Lady" aufgeführt. Jetzt ist dieses 1956 in New York uraufgeführte Musical wieder im Hof von Burg Brattenstein zu sehen.

Die Inszenierung der von Alan Jay Lerner nach George Bernard Shaws "Pygmalion" geschriebenen Geschichte, die Frederick Loewe vertont hat, besorgte der Ingolstädter Intendant Knut Weber, der heuer die Frankenfestspiele leitet.

Durfte nach der deutschen Erstaufführung, die 1961 im Berliner Theater des Westens als Kopie der Broadway-Produktion gezeigt wurde, "My Fair Lady" von keinem anderen deutschen Theater eigenständig produziert werden, so sind diese vertraglichen Schranken seit 1966 gefallen. Seither erfreut sich das Werk landauf und landab in den verschiedensten Versionen ständiger Beliebtheit. In Röttingen wartet man mit einer Neuerung auf: Eliza Doolittle spielt Trompete.

Ein roter Vorhang teilt die von Charlotte Labenz und Simone Manthey gestaltete Bühne. Dahinter sind im Wesentlichen die Interieur-Szenen angesiedelt, davor die im Freien spielenden. Eine mit einem roten Läufer belegte Freitreppe ist der Blickfang hinter dem Vorhang. Dazu kommen Möbel- und Versatzstücke, ein Schreibtisch für Henry Higgins, ein Sofa für Oberst Pickering, Grammophone für den Phonetik-Unterricht, weiße Gartenstühle und Zimmerpflanzen im Wintergarten von Mrs. Higgins und noch einiges mehr. Vor dem Vorhang markieren Obstkisten, ein Fass und eine Feuerstelle den Markt. Gespielt wird aber auch zwischen den Besuchern im Hof, und gelegentlich wird auch die Burg Brattenstein ins Geschehen mit einbezogen.

Zu Beginn stellt sich Antje Rietz als Eliza Doolittle mit einem Trompeten-Solo vor. Und die Aufführung endet auch, nach knapp drei Stunden, einschließlich einer Pause, mit einem solchen, von ihr virtuos gespielten. Nachdem Henry Higgins festgestellt hat: "Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht", nimmt Eliza Doolittle diese Melodie auf und trompetet sie sozusagen aus einem Fenster der Burg Brattenstein. Damit bleibt der Schluss offen: Kehrt sie zu ihrem Lehrmeister, der sie vermisst, zurück - und werden die zwei gar ein glückliches Paar oder nicht? Ein in jeder Beziehung nicht nur origineller Regieeinfall!

Ansonsten bewegt sich die Aufführung im konventionellen Bereich und erfüllt so auch die Erwartungen der Besucher. Und das ist bei Weitem nicht schlecht. Knut Weber belässt die Geschichte in ihrer Zeit, in London vor rund 100 Jahren, wobei ihm auch die Kostümbildnerin Charlotte Labenz zu Hilfe kommt. Er legt auf eine musikdramatische Gestaltung der Rollen ebenso Wert, wie er für gute, kurzweilige Unterhaltung mit Musik sorgt. Dabei kommt dem unter der nuancenreichen musikalischen Leitung von Walter Lochmann live spielenden, neunköpfigen Orchester ein nicht geringer Anteil am Erfolg zu.

Antje Rietz ist eine herbe Eliza Doolittle, die sich von der "Rinnsteinpflanze" überzeugend zum selbstbewussten, energischen "schwesterlichen Schlachtschiff" von Henry Higgins wandelt. Dieser Phonetikprofessor ist in der Interpretation von Pavel Fieber zunächst selbstsüchtig, aufbrausend und befiehlt herrisch wie ihm beliebt. Er wird aber auch zusehends sensibler und zeigt Gefühl bis hin zum Bekenntnis: "Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht." Als vermittelnder, ihn häufig beschwichtigender Oberst Pickering steht ihm Rolf Germeroth zur Seite. Martin Muliar gibt dem Lebensphilosophen Alfred P. Doolittle ein stimmlich und darstellerisch stimmendes Profil. Ein auf Anstand und Würde bedachte, verständnisvolle Mrs. Higgins zeichnet Kathrin Becker.

Dem Bild einer pflichtbewussten Gesellschafterin entspricht die ganz in Schwarz gekleidete Katrin Wunderlich als Mrs. Pearce. Kein schmalzendes Jüngelchen, sondern ein männlicher Mann mit Stimme ist Péter Polgár als Freddy Eynsford-Hill.