Reichlich Stoff für Lesehungrige

29.09.2011 | Stand 03.12.2020, 2:21 Uhr

Ingolstadt/Bremen (DK/epd) „Gerade eben haben sich die Kinder in Marienstein mit Büchern eingedeckt“, sagt Monika Wenk, Leiterin des Bücherbusses der Ingolstädter Stadtbücherei, als sie der Anruf auf dem Handy erreicht.

Die Donnerstagstour der fahrbaren Bücherei beginnt dort am Kinderdorf im Landkreis Eichstätt. Und nach der Pause während der Sommerferien ist der Ansturm besonders groß. Seit Oktober 1979 ist der Bücherbus unterwegs. Und zwar nicht nur in jenen Stadtteilen Ingolstadts, die keine eigene Bücherei haben. Das Team von Monika Wenk steuert von der Stadtteilbücherei Ingolstadt-Südwest, ihrem Standort, auch Gemeinden wie Adelshausen, Karlskron, Eitensheim oder Westenhausen an. „Das kommt einerseits noch aus der Zeit, als es noch den Landkreis Ingolstadt gab. Außerdem war der Ursprung die Kreisfahrbücherei des Landkreises Eichstätt“, erklärt Wenk.

Rund 5000 Medien, vom Sachbuch über Romane, Hörbücher, Kinder- und Jugendbücher, Zeitschriftenhefte, DVDs und CDs, transportiert der Bus etwa alle zwei Wochen an jede Haltestelle. Die Zahl der Haltepunkte ist auf 43 angewachsen. Der Fahrplan wird auf die Bedürfnisse der Leserschaft abgestimmt. Und das heißt: „Immer mehr Kinder haben an der Schule eine Mittagsbetreuung. Haltepunkte dort werden dann meist ab 13 Uhr gerne angenommen. Zum Beispiel hat sich die Schule Ringsee neu in den Fahrplan aufnehmen lassen. Auch die Haltestelle des Hortes in Unterbrunnenreuth ist neu.“ Männer und Frauen mittleren Alters würden an den Nachmittagsterminen kaum kommen – „Sie sind um diese Zeit noch am Arbeitsplatz. Dafür kommen die älteren Menschen und junge Mütter mit ihren Kindern“, so Wenk. Trotzdem werden gerade in den Außenbezirken die Nachmittagstermine gerne angenommen. Im vergangenen Jahr wurde an der Haltestelle Pobenhausen übrigens die Dreimillionengrenze der Ausleihen seit 1979 geknackt.

Der Bücherbus gehört damit zu den 100 Fahrbibliotheken in Deutschland, die der Bremer Bibliothekar Matthias Weyh auf dem von ihm gestalteten überregionalen Internetportal vorstellt. Weyh leitet auch Deutschlands neuesten Bücherbus, der Woche für Woche an 21 Haltestellen Lesestoff in die Stadtteile bringt. „Wir kommen vor allem in die Stadtteile, in denen es keine feste Bibliothek gibt“, sagt er. Zu seinen Stammkunden gehören neben Schulen auch Ältere, die nicht mehr so mobil sind. So ist es auch andernorts. Unter den Flächenländern gilt Schleswig-Holstein als Eldorado der Busbibliotheken. „Wohl schon aufgrund der Nähe zu den skandinavischen Nachbarn, bei denen es besonders viele fahrbare Bibliotheken gibt“, meint Weyh. Unter den Städten liegt München ganz vorn, hier sind fünf mobile Bibliotheken unterwegs.

Doch bundesweit sinkt ihre Zahl seit den 90er Jahren. Schuld ist die schlechte finanzielle Lage der Kommunen, die oft Mittel für ihre Lesesäle kürzen. „Bibliotheken zählen zu den freiwilligen Leistungen der Kommunen“, sagt Weyh. „Wenn der Rotstift gespitzt wird, sind sie fast immer dabei.“ Und das, obwohl die öffentlichen Büchereien nach Angaben des Berufsverbandes der Bibliothekare mit allein 120 Millionen Entleihern 2010 zu den meistgenutzten kommunalen Einrichtungen gehörten. Bremen ist unter den Stadtbibliotheken nach Dresden bundesweit Spitze: „Bei uns wird statistisch gerechnet der gesamte Bestand mehr als sechs Mal pro Jahr ausgeliehen“, sagt Direktorin Barbara Lison.

Deutschlands erste Fahrbibliothek startete 1925 in Worms, um Dörfer im rheinhessischen Umland zu versorgen. Mittlerweile hat die Idee auch den Sprung nach Mittelamerika geschafft, wo in Nicaragua ein Bücherbus als Teil der nationalen Alphabetisierung Lesestoff zu Kindern und Erwachsenen chauffiert – unterstützt von der deutschen Hilfsorganisation „pan y arte“: „Kultur darf kein Luxus sein“, sagt ihr Vorsitzender, Bremens Altbürgermeister Henning Scherf.

In Ingolstadt sorgt der Bücherbus ebenfalls nicht nur für Freizeitlektüre, sondern transportiert Bildungsangebote wie Bücherkisten zu bestimmten Themen zu Kindergärten und Grundschulen. Mit Führungen erklärt das Bücherbus-Team dem Lesenachwuchs, wie man sich in Büchereien zurechtfindet. Schließlich kann in der seit 2001 zur Bücherei umgebauten Lkw-Zugmaschine gezeigt werden, wie das Ausleihen per Computer und die Fernleihe funktionieren.