Regensburg
Im Kopf des Dichters

Jubel für eine herausragende Opernproduktion: Brigitte Fassbaender inszeniert Richard Strauss' "Salome" am Theater Regensburg

15.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:07 Uhr

Letzter Kuss: Salome (Dara Hobbs) ist eine verwöhnte Prinzessin, die gewohnt ist, dass alle ihre Wünsche erfüllt werden. Das Objekt ihrer Begierde ist Jochanaan, der von ihrem Stiefvater Herodes gefangen gehalten wird. In der Regensburger inszenierung wird Oscar Wilde schließlich zu Jochanaan (Martin Dvorak). - Foto: Quast

Regensburg (DK) Der Dichter ist anwesend: Oscar Wilde sitzt sinnierend in seiner Bibliothek. In seinem Kopf entsteht gerade das Szenario für jenen Einakter, auf den Richard Strauss' Salome-Libretto zurückgeht. Nach und nach verwandeln sich seine Diner-Gäste in dessen Personal.

Geschärft wird diese Grundidee durch die Tatsache, dass Wilde bei Regisseurin Brigitte Fassbaender nicht einfach nur eine stumme Schauspielerrolle ist, sondern vom tschechischen Tänzer und Choreografen Martin Dvorak dargestellt wird. Von seiner körperlichen Präsenz, seiner Fähigkeit, den Bühnenraum mit wenigen Schritten und Gesten in einen Imaginationsraum zu verwandeln, lebt dieses Regiekonzept. Ein wenig unscharf bleibt dabei allerdings das Verhältnis des Dichters zu seinen Figuren. Mal folgen sie seinen klaren Anweisungen, mal machen sie sich selbstständig, entgleiten ihrem Schöpfer, ohne dass daraus aber eine klare Spannungsdramaturgie erwächst. Eine solche entsteht vielmehr durch einen szenischen Coup: Bühnenbildner Helfried Lauckner hat in den Bühnenuntergrund eine Tretmühle eingebaut. Der Moment, da diese zum ersten Mal hochfährt und den darin sich verausgabenden Jochanaan sichtbar macht, ist von packender Eindringlichkeit. Dass Seymur Karimovs kraftvolle Stimme sich nun noch gewaltiger im Theaterraum verströmt als zuvor aus dem Off, tut ein Übriges.

Auch die anderen Sänger profitieren vom kleinen Theaterraum und der grabenbedingt reduzierten Instrumentalbesetzung, aus der Ido Arad mit dem glänzend disponierten Philharmonischen Orchester ein Maximum an Klangfarben und Innenspannung herausholt. Nichts wirkt forciert, angestrengt, die Textverständlichkeit ist hoch. Die hauseigenen Sänger - neben Karimov sind dies unter anderem Vera Egorova als Herodias, Yinjia Gong als Narraboth und Vera Semieniuk als Page - leisten hier Großartiges. Als Gast von der Deutschen Oper am Rhein liefert Johannes Preißinger mit souverän geführtem Charaktertenor ein messerscharfes, humoristisch fein gewürztes Herodes-Porträt ab, in der Titelrolle brilliert Dara Hobbs: Mühelos führt sie ihren jugendlichen dramatischen Sopran von lyrischen Piani aus in intensiv strahlende Höhen. Etwas zu kurz kommt das Moment der Entgrenzung, für das allerdings auch Fassbaenders Regie in der Begegnung Salome-Jochanaan zu unentschieden bleibt.

Ihre großen Stärken hat diese dann aber im Schleiertanz, aus dem zusammen mit Martin Dvoraks Oscar Wilde ein zwischen Parallelität und Auseinanderdriften changierender Pas de deux wird, und beim enorm theaterwirksamen Finalbild: Dieses - nur so viel sei verraten - erinnert daran, dass es solche Tretmühlen waren, in denen der homosexuelle Oscar Wilde nach seiner Verurteilung wegen "Unzucht" im Gefängnis geschunden wurde. Großer Jubel für eine szenisch überzeugende, sängerisch-musikalisch herausragende Strauss-Produktion.

Weitere Termine: 20., 28., 31. Mai. Kartentelefon (09 41) 507 24 24.