Paris
"Rache ist in meiner DNS nicht eingeschrieben"

Javier Bardem über seinen neuen Film "Pirates of the Caribbean 5", Schauspielkunst, Gentleman Johnny Depp und sein Familienglück

24.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:04 Uhr

Paris (DK) Als Frischzellen-Kur für das "Pirates of the Caribbean"-Franchise hat sich Produzent Jerry Bruckheimer zu "Salazars Rache" ein schauspielerisches Schwergewicht an Bord geholt: Javier Bardem als Furcht einflößenden Piratenjäger. Der spanische Filmstar glänzte schon in "Skyfall" als bitterböse Bond-Nemesis. Diesmal stiehlt er - als rachsüchtiger Zombie-Kapitän Salazar - selbst Johnny Depp als Jack Sparrow und Geoffrey Rush als Barbossa die Schau. Zur Europa-Premiere des fünften Teils der Piraten-Saga kam der 48-Jährige für Interviews nach Paris. Im Newport Bay Club Hotel in Disneyland trafen wir auf einen gar nicht bösen, sondern sehr freundlichen und warmherzigen Javier Bardem.

Señor Bardem, hat Ihre Frau Penélope Cruz Sie dazu überredet, auch einmal in einem "Pirates of the Caribbean"-Film mitzuspielen?

Javier Bardem: (Lacht) Nein, das nicht. Aber als ich Pe damals bei den Dreharbeiten zu "Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten" auf Hawaii und in Los Angeles besucht habe, fand ich das Klima, das da herrschte, äußerst wohltuend. Vor allem hat mir gefallen, wie gut die Leute am Set behandelt wurden. Dann war ich natürlich fasziniert von den Set-Aufbauten, den Kostümen und dem ganzen Look des Films. Hier waren die Besten der Besten am Werk. Als ich 2014 den Anruf von Jerry Bruckheimer bekam, ob ich beim neuen Film mitspielen wollte, habe ich mit großer Freude zugesagt.

Zumal Sie ja als Geister-Kapitän Salazar eine der Hauptrollen spielen.

Bardem: Das war nicht der entscheidende Punkt. Das wirklich Wichtige für mich ist immer, was ich aus der Rolle herausholen, wie ich sie gestalten kann. Und Salazar lag da ganz auf meiner Linie.

Aber haben Sie nicht die meiste Zeit vor einer Green-Screen agiert? Mit Punkten im Gesicht - für das spätere Computer-Rendering? Waren Sie als veritabler Charakterdarsteller dabei nicht unterfordert?

Bardem: Oh, man muss schon ein sehr guter Schauspieler sein, um so effektiv ins Leere spielen zu können. Man muss auf so vieles, das ja nicht wirklich da ist, gleichzeitig achten. Man muss auf hundert Dinge reagieren, präzise Bewegungsabläufe absolvieren und dann die ganze Wucht der Performance in jede einzelne Szene legen. Ich habe Naomi Watts immer sehr dafür bewundert, wie natürlich sie damals in dem "King Kong"-Film mit dem Riesenaffen kommuniziert hat - der ja bestenfalls ein Tennisball war. Da muss man schon eine sehr große Vorstellungskraft haben. Für mich war dieser Film jedenfalls eine sehr große schauspielerische Herausforderung.

Es scheint Ihnen in letzter Zeit großen Spaß zu machen, den Bösen zu spielen ...

Bardem: ... aber nur, wenn er so komplex ist wie hier. Oder wie bei "Skyfall", oder dem Coen-Movie "No Country for Old Men". Die Bösen waren da nämlich alle minutiös im Drehbuch beschrieben und ausgearbeitet worden. Das ist für mich immer ausschlaggebend. Denn nur auf einem soliden Fundament kann ich als Schauspieler dann versuchen, meine Rolle voll und ganz zur Entfaltung zu bringen.

Salazar ist von seiner Rachgier wie besessen. Haben Sie sich schon mal an jemandem gerächt?

Bardem: Nein, ich bin eher der gelassene Typ. Ich glaube auch nicht, dass man eine große Befriedigung verspürt, wenn man sich an jemandem rächt. Da entsteht doch vor allem eine große Leere. Rache ist in meiner DNS nicht eingeschrieben. Ich empfände das auch eher als große Zeitverschwendung. Denn ich konzentriere mich lieber auf gute Gefühle.

Wie war denn die Zusammenarbeit mit Johnny Depp? Wie man hörte, gab es am Set in Australien größere Probleme.

Bardem: Was Johnnys Privatleben betrifft, darüber würde ich kein Sterbenswörtchen verlieren. Aber was seine Arbeit als Schauspieler betrifft, da finde ich ihn ganz hervorragend, er ist ein echter Könner. Sein Timing - gerade in den lustigen Szenen - ist vollkommen. Abgesehen davon ist er ein sehr sensibler und herzensguter Mensch, der am Set sehr entspannt ist und sich mit allen gut versteht. (Lacht) Wir mussten öfter beim Drehen ein bisschen warten, bis Johnny alle Crew-Mitglieder umarmt hatte. Er ist ein echter Gentleman.

Sind Sie eigentlich stolz darauf, dass Sie als spanischer Schauspieler in Hollywood so großen Erfolg haben?

Bardem: Ich freue mich über meinen Erfolg, sicher. Aber nicht deshalb, weil ich es als Spanier nach Hollywood geschafft habe. Ich lebe allerdings aus Überzeugung in Spanien. Das ist mir wichtig. Schon wegen meiner Kinder (mit Penélope Cruz hat er Sohn Leonardo, 5, und Tochter Luna, 2. Anm. d. Red.). Sie sollen im Kulturkreis ihrer Eltern aufwachsen. Deshalb haben Pe und ich Madrid als unseren Lebensmittelpunkt gewählt. Mein Nationalstolz kommt übrigens schnell an seine Grenzen: Wenn Spanien im Fußball die Weltmeisterschaft gewinnt - dann finde ich das toll. Aber das ist es auch schon.

Sie stammen aus einer berühmten spanischen Schauspieler-Dynastie. Hat das Ihre Entscheidung, selbst Schauspieler zu werden, stark beeinflusst?

Bardem: Das weiß ich gar nicht so genau. Vielleicht lag es auch nur daran, dass ich ein ziemlich schlechter Schüler war. Vor allem den Zwang, der in der Schule auf uns ausgeübt wurde, fand ich schrecklich. Zu meiner Zeit war der Rohrstock im Unterricht noch gang und gäbe. Dazu kam, dass ich als Jugendlicher sehr schüchtern war. Es hat also eine ganze Weile gedauert, bis ich den Mut hatte, aus den starren Konventionen auszubrechen. Und da ich mich schon immer für künstlerische Arbeit interessierte - ich wollte ursprünglich Kunstmaler werden -, habe ich es auch mal mit der Schauspielerei versucht. Und das hat ganz gut funktioniert.

Das Interview führte

Ulrich Lössl.

Eine Rezension des Films findet sich in unserer Beilage "Unterwegs".