Nürnberg
Verachtung, Verschwörung, Verführung

John von Düffel bearbeitet Shakespeares "Römische Tragödien" Uraufführung am Staatstheater Nürnberg

24.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:08 Uhr

Shakespeare schrieb mit den "Römischen Tragödien" drei Stücke, in denen Politik, Gewalt und deren Mechanismen im Zentrum stehen. Klaus Kusenberg inszenierte die Neubearbeitung von John von Düffel mit Stefan Willi Wang und Julia Bartolome. - Foto: Bührle

Nürnberg (DK) Über William Shakespeares Tragödie "Coriolan" schrieb Bertolt Brecht, der sich selbst an diesem Stoff des römischen Konsuls versuchte, er biete eine "Durchleuchtung der Geschichte und ihrer Dialektik" zwischen Demokratie und Demagogie. Von dieser Sicht auf die Historie ließ sich offenbar auch der Dramatiker John von Düffel leiten, als er den "Coriolan" Shakespeares und zwei weitere seiner römischen Tragödien, "Julius Caesar" und "Antonius und Cleopatra", bearbeitete, teils neu übersetzte und zu seiner "Römischen Trilogie" verschmolz.

Jetzt erlebte dieser gewaltige Theaterbrocken am Staatstheater Nürnberg in der Regie von Schauspieldirektor Klaus Kusenberg seine Uraufführung.

Gleich zum Auftakt des mehrstündigen Theaterabends proben die Plebejer den Aufstand gegen die römische Herrscherklasse der Patrizier, die sich auf Kosten des Volkes bereichern und es verhungern lassen. Was sich Coriolan, ein Volksverächter und Zyniker der Macht, zunutze macht, dem Volk seine eigenen Vertreter in Gestalt von "Volkstribunen" zugesteht, aber daraus seinen Vorteil schlägt und an die Macht kommt. "Verachtung" hat John von Düffel diesen ersten Akt seiner "Römischen Trilogie" überschrieben, dem als zweiter "Verschwörung", die Tragödie "Julius Caesar", und als finaler dritter Akt, "Verführung", folgt, in der die tödlich endende (Liebes)Geschichte von "Antonius und Cleopatra", des römischen Feldherrn und der ägyptischen Königswitwe, gezeigt wird.

Ein historisches Sittenbild also, dessen Gegenwartsbezug nicht nur das Stück, sondern mehr noch die eindrucksvolle, wenn auch streckenweise unentschiedene und halbherzige Inszenierung überdeutlich herausstellt. Das karge, zeitlose Bühnenbild (Günter Hellweg), das vor der düsteren, schwarz ausgeschlagenen Bühne mit ein paar Requisiten auskommt, unterstreicht die Allgegenwärtigkeit der blutigen Machtkämpfe, in denen es um Geld, Gier und sexuelle Begierden geht. Im Anzug, wahlweise im Leder-Look manipuliert Coriolan (Stefan Willi Wang als fanatischer Berserker) die Massen und im Designer-Look planen Brutus (Frank Damerius) und Cassius (Hubertus Hartmann) die Ermordung des nie auftretenden Caesar.

Wenn Regisseur Kusenberg auf die Sprache setzt und Shakespeares Urtext ernst nimmt, gewinnt die Inszenierung auch ihre Höhepunkte, etwa in dem herausragenden Rededuell ("Mitbürger! Freunde! Römer!"), das sich Brutus (Frank Damerius) und Marc Anton (Stefan Willi Wang) an der Leiche Caesars liefern. Glanzlichter politischer Rhetorik zwischen patriotischem Pathos (Brutus) und sarkastischer Ergriffenheit (Marc Anton: "Doch Brutus ist ein ehrenwerter Mann"), mit der der Tyrannenmord gerechtfertigt oder verurteilt wird.

Doch dann verfängt sich die Inszenierung in Gefälligkeiten, schmeißt sich mit vordergründigen Effekten ans Publikum heran und bringt sich um ihre, die Zuschauer durchaus in Bann ziehende Wirkung: Bei den Schauspielerinnen dominiert raffiniert ausgestellter und ausgestatteter Sexappeal, den Julia Bartolome im gold-paillettierten Glitzerfummel als Cleopatra oder Adeline Schebesch im blutgetränkten Unterkleid (als im Veitstanz zuckende Wahrsagerin) oder im eleganten schwarzen Mini (als Octavia) zeigen müssen. Dazu lodernde Feuer, viel Bühnennebel und live eingespielte Trommelwirbel und Schlagzeuggewitter (Musik und Schlagzeug Werner Treiber), Mini-Monitore mit mystisch verschwommenen Videos, die Aktualität suggerieren - ein zu großen Teilen überflüssiges Bühnenbrimborium, das man sich hätte sparen können.

Dem setzt im dritten, in Ägypten spielenden Teil, "Verführung", ein grünlich schimmerndes Planschbecken die Krone auf, das wahlweise wohl einen Pool, in dem man planscht und sich balgt, oder das Mittelmeer symbolisieren soll, über das die "Polit-Flüchtlinge" aus Rom gekommen sind. Am Ende färbt er sich, wie in der Seeschlacht von Lepanto, rot vom Blut des tödlich getroffenen Antonius, der darin in den Amen von Cleopatra stirbt. Da geht eine bis dahin eindrucksvolle Inszenierung buchstäblich baden, die gleichwohl mit viel Beifall bedacht wurde.

Die nächsten Vorstellungen sind am 27. und 30. Oktober; am 3. und 17. November sowie im weiteren Verlauf der Spielzeit, Karten unter: Telefon (01 80) 523 16 00.