Nürnberg
Uraufführung in Nürnberg: "Linke Läufer" erinnert an ein Stück unrühmlicher Geschichte des Club

14.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:40 Uhr

Ein Trainer geht: Vor leeren Rängen hält Jenö Konrad (Gerd Beyer) die Abschiedsrede an sein Team. Gleich wird der Nazi namens "Stürmer" kommen und ihn zum Zweikampf fordern. - Foto: Bührle

Nürnberg (DK) Der 1. FC Nürnberg, der Club, ist mit neun Deutschen Meisterschaftstiteln immer noch - hinter Bayern München - deutscher Vize-Rekordmeister, auch wenn er gerade wieder mal den Aufstieg in die Premium-Liga verpasst hat. Aber einst, lang ist's her, war er über Jahre hinweg die Nummer eins im deutschen Fußball und glänzte mit Namen, die heute nicht nur den Veteranen unter den Club-Fans Schauer über den in den Club-Farben Weinrot-schwarz dekorierten Rücken jagen.

Ehrfürchtig werden bis heute die Namen der "Helden des ruhmreichen Club" herumgereicht: der Torwart Heiner Stuhlfauth etwa ("Der erste Stürmer im Tor!") oder Hans Kalb, der "Schrecken aller Mittelstürmer", der in den 1920er-Jahren als "der beste Fußballer seiner Zeit" galt.

Jetzt allerdings schlägt eine Uraufführung am Staatstheater Nürnberg ein weniger ruhmreiches Kapitel in der Geschichte des legendären Club auf: In dem Fußball-Drama "Linke Läufer. Requiem für Jenö Konrad" begibt sich der Münchner Autor Albert Ostermaier auf Spurensuche und stieß auf Jenö Konrad, der von 1930 bis 1932 Trainer beim Club war. Nach wüsten Angriffen des in Nürnberg erscheinenden antisemitischen Hetzblatts "Der Stürmer" , das der "Franken-Führer" Julius Streicher, fränkischer Gauleiter der NSDAP seit 1923, in Nürnberg herausgab, verließ Jenö Konrad 1932 mit Frau und Kind Nürnberg und landete - nach einer Irrfahrt durch halb Europa - 1940 in New York im Exil, wo er 1978 starb, ohne jemals wieder deutschen Boden betreten zu haben.

Regisseur Oliver D. Endress setzte Ostermaiers Stück für die BlueBox in Szene. Die Hass- und Hetzparolen des "Stürmer" hängen als Spruchbänder über Köpfen den Zuschauern, die im Studio des Staatstheaters wie in einer Fußball-Arena um die Bühne (Bühnenbild: Birgit Leitzinger) sitzen. "Der Club geht am Juden zugrunde" titelte der "Stürmer", und "Wer den Club nicht liebt, soll Deutschland verlassen". Vor leeren Rängen hält Jenö Konrad (Gerd Beyer) seine Abschiedsrede an die Mannschaft, lässt die Siege und die Niederlagen, die Kämpfe und die Triumphe Revue passieren - ein großer, mit antikischem Pathos vorgetragener, eine Halbzeit dauernder Monolog des Trainers, der im Anzug, als eleganter, gebildeter Mann auftritt, eine Art Pep Guardiola der 20er-Jahre.

"Im Strafraum oder: Stürmer" ist die zweite Halbzeit überschrieben, in der der Nazi (Martin Bruchmann), der sich "Stürmer" nennt, im langen SS-Mantel die Kabine betritt und sich mit dem scheidenden Trainer einen grandiosen Rede-Zweikampf liefert, der in einem angedeuteten Ball-Spiel (Nazi gegen Jude) mit originalen Leder-Fußbällen, aber auch in Handgreiflichkeiten gipfelt. Da wird geholzt und nicht gebolzt, da haut der Mann vom "Stürmer" dem jüdischen Trainer die Nazi-Sprüche um die Ohren, dass die braunen Fetzen nur so fliegen. "Wir sind das Volk!" skandiert Pegida-gemäß der Fan des kommenden Führers, welcher sich über Lautsprecher zu Wort brüllt. Konrad kontert im Verbal-Duell: "Die Farben des Club dürfen nicht in den braunen Dreck gezogen werden" und "Mit einem Hakenkreuz kann man nicht Fußball spielen!" Drohend die Replik: "Fußball macht frei!"

Danach geht das Fußball-Drama in die "Verlängerung", spielt in den USA, wo der Club 1955 in New Jersey ein Freundschaftsspiel absolvierte, das Jenö Konrad besuchte und wo er ein Interview gab. Befragt nach der Zukunft seines einstigen Clubs, gibt er die Antwort, mit der einst seine Autogramm-Postkarte signierte: "Der Club war der Erste und wird der Erste werden". Es war das Motto des Trainers Jenö Konrads; der Fan-Club des 1. FCN, die Ultras, machten daraus 2012 im Nürnberger Stadion eine riesige Choreographie mit seinem Porträt, und setzten ihm damit ein Denkmal.

 

Weitere Vorstellungen: 16., 18., 28. und 29. Juni; 3., 14. und 27. Juli sowie in der nächsten Spielzeit. Kartentelefon (0180) 5231600.