Nürnberg
Gestern Reklame, heute Kunst

Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg zeigt in der Ausstellung "Warenzauber" historische Plakate und Filme

02.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:52 Uhr

Foto: DK

Nürnberg (DK) Für Reklame gilt offensichtlich der Leitspruch: je bunter, desto besser. Vor Farben strotzen jedenfalls die historischen Reklametafeln, die das Germanische Nationalmuseum (GNM) in Nürnberg im Rahmen einer Studioausstellung in der Sammlung zum 20. Jahrhundert zeigt.

Die Werbebotschaften setzen dabei nicht nur auf die komplette Farbpalette. Neben satten Farbkontrasten werden häufig Frauen und Männer aufgrund ihrer Identitäts- und Vermittlerfunktion als Werbebotschafter eingesetzt. Über den Wandel der Geschlechterrollen kann uns die historische Werbung deshalb besonders viel erzählen. Auf dem Plakat der Firma "Everfresh" aus dem Jahr 1965 freut sich eine unbekleidete Blondine ganz närrisch über ein Bügelspray. Dabei versteckt die Dame ihren nackten Körper, der ganz offensichtlich als Blickfang dienen soll, hinter einem blütenweißen Oberhemd. Die Bierwerbung der Nürnberger Brauerei "Lederer" aus dem Jahr 1965 verzichtet dagegen auf nackte Tatsachen. Allerdings serviert auch hier kein Herr, sondern eine brünette Dame mit frecher Kurzhaarfrisur das Tablett mit den drei sauber eingeschenkten Hopfenkaltschalen. Dabei stemmt die Werbebotschafterin eine Hand keck in die Hüfte. Mit ihrem fröhlichen Gesichtsausdruck strahlt die idealisierte Kellnerin laut den Machern der kurzweiligen Ausstellung bildlich jene "Freude" aus, die der Text auf dem Plakat (Lederer-Biere: Eine wahre Freude - köstlich und herzhaft!) den potenziellen Käufern ebenfalls versprochen hat.

Die Herren der Schöpfung sonnen sich in der historischen Reklame derweil in den ungebrochenen Rollenklischees des starken Geschlechts. Auf dem Plakat einer Rasierklingen-Werbung aus dem Jahr 1930 streichelt eine mädchenhafte Frau mit Wasserwellen-Frisur, wie sie seinerzeit beispielsweise von Tänzerinnen gerne getragen wurde, die Wange eines Herren in Frack und Fliege. Mit halb geschlossenen Augen lässt sich der "Gilette-Mann" die Liebkosungen gefallen. Die Werbebotschaft ist für die Ausstellungsmacher klar: Das "zärtlich aneinandergeschmiegte Paar" veranschauliche die "erotische Wirkung", welche ein glatt rasierter Mann auf Frauen ausübt.

Durchaus subtil ist dagegen die "Sauerkraut"-Reklame aus dem Jahr 1960. In der Form eines Comicstrips versucht der Hersteller uns, die deutscheste aller Gemüsekonserven aus dem Hause "Hengstenberg" schmackhaft zu machen. In der oberen Bildhälfte sehen wir eine Frau mit Telefonhörer in der Hand. Am anderen Ende des Telefonkabels hängt ein Mann am Apparat. Der ist offensichtlich der hungrige Gatte, der stilsicher auch über Konservendosen und dem darin enthaltenen Krautgemüse Konversation betreiben kann. Auf die Frage der treu sorgenden Ehefrau, was der Herr zum Mittag speisen wolle, antwortet dieser wie aus der Gourmet-Pistole geschossen: "Mildessa"! Was zum Fertigkraut noch auf den Tisch kommt, verrät uns diese Werbung leider nicht. Dafür erfährt der Ausstellungsbesucher, dass vor dem Hintergrund des mit leichter Hand aquarellierten Ehepaares besonders die "naturgetreue Wiedergabe des Dosenetiketts" ins Auge fällt.

Denn darum geht es der Werbung schließlich im Kern. Dass das Produkt und der Markenname mit den mehr oder weniger holzschnittartigen Stilmitteln der Reklame ins rechte Scheinwerferlicht gerückt werden. Nicht immer geht diese dabei derart raffiniert vor, wie die Porsche-Werbung für schnelle Autos aus dem Jahr 1961. Neben Tirolerhut und Jägerbüchse hat der bekannte Werbegrafiker Hanns Lohrer die Silhouette des Traumwagens aus Zuffenhausen auf das Plakat gemalt. Darüber steht lässig der weltmännische Slogan: For carefree country life. Die Botschaft dahinter lautet nicht, dass der moderne Jäger im Porsche auf die Pirsch gehen soll (der heute so beliebte Gelände-Porsche für standesbewusste Waidmänner, war noch nicht auf dem Markt). Vielmehr soll der Dreiklang aus Hut, Flinte und Kutsche den Porsche als standesgemäßes Accessoire im Unterbewusstsein der männlichen Oberschicht symbolisch verankern. Das ist in diesem Fall genauso wie bei der Maggi-Werbung aus dem Jahr 1925 fabelhaft gelungen. Bis heute funktioniert die ikonische Flasche mit dem gelbroten Etikett als Werbebotschaft und steht zum Würzen von Soßen und Suppen - und das ist das Schöne - bei Frauen und Männern gleichermaßen auf dem Küchentisch.

Was will uns diese Ausstellung mit all der bunten Werbung also sagen? Erstens: Gute Werbung ist Kunst. Zweitens: Wer dem Zauber der Werbung nicht willenlos erliegen will und einen reflektierten Umgang mit den heutigen Werbeversprechen anstrebt, der sollte unbedingt einen (oder auch zwei) Blick(e) in diese bunte Ausstellung werfen.

Noch bis 27. Januar 2019.