Neuburg
Zeitlose Preziosen

Deborah Carter & das Davide Petrocca Trio in Neuburg

23.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:15 Uhr

Singt am liebsten ihre Lieblingssongs von ihren Lieblingsinterpreten:
Deborah Carter im Jazzclub Birdland. - Foto: Leitner

Neuburg (DK) Nüchtern betrachtet besteht im Grunde keine Notwendigkeit, sich immer wieder Musikstücke anzuhören, die man bereits in- und auswendig zu kennen glaubt. Man schaut sich ja auch nicht ständig alte Fotoalben an. Niemand aber wird bestreiten, dass es ungemein guttut, genau dieses zu tun.

Man fühlt sich wohl dabei, man hat Spaß, hängt vielleicht Erinnerungen nach, manchmal schwelgt man regelrecht. Genauso ergeht es einem mit dem Birdland-Konzert der amerikanischen Sängerin Deborah Carter und des sie begleitenden Davide Petrocca Trios.

Sie wolle ihre Lieblingssongs von ihren Lieblingsinterpreten zu Gehör bringen, sagt sie gleich zu Beginn und blättert anschließend in den Songbooks von Ella Fitzgerald, Duke Ellington, Oscar Peterson und Count Basie, interpretiert Klassiker wie "Satin Doll" und "Take The A-Train" und erzählt dazu Geschichten wie die vom Liebespaar Ava Gardener/Frank Sinatra und der aus dieser Liaison resultierenden herzzerreißenden Ballade "In The Wee Small Hours Of The Morning", über die von Barbra Streisand populär gemachte Peterson-Komposition "People" und über ihre persönlichen Erfahrungen mit "A Night In Tunisia".

Unter Carters Fittichen und mit tatkräftiger Unterstützung des Bassisten, Bandleaders und Arrangeurs Davide Petrocca, des Schlagzeugers Julian Fau und des Pianisten Olaf Polziehn fasst sie diese zeitlosen Preziosen aus dem Goldenen Zeitalter des Jazz neu, verhilft ihnen, ihren Charme voll und ganz zu entfalten. Natürlich wurden sie bereits tausendmal gespielt und gesungen, Miss Carter und die Band aber verpassen ihnen eine Frischzellenkur, versehen sie mit modernen Arrangements, machen aus der ursprünglichen Ballade "Cry Me A River" eine rasante Bossa-Nova-Nummer, titeln kurzerhand "Mood Indigo" durch das Hinzufügen neuer Strophen um in "The First Time I Saw Ellington/The First Time I Heard Ella" und verbeugen sich schließlich mit "Better Than Anything" ganz tief vor all den großen Helden des Jazz von Dizzy Gillespie bis hin zu Jaco Pastorius.

Olaf Polziehn ist ein exzellenter Pianist - Deborah Carter bezeichnete ihn einst als "Piano Beast" -, Davide Petrocca ein raffinierter Arrangeur und Julian Fau ein ungemein beweglicher Drummer. Zusammen ergeben die drei eine bestens eingespielte Truppe. Im Mittelpunkt aber stehen an diesem Abend Deborah Carter und ihre volle, kräftige Stimme, die sie vermittels Scatting auch zum Soloinstrument macht, und die souveräne Art, mit den von ihr ausgewählten Klassikern des Jazz umzugehen.

Und ganz am Ende, nach zwei Zugaben, muss man sich eingestehen, dass man diese Stücke doch nicht in- und auswendig kannte. In diesen individuell auf Miss Carter zugeschnittenen Versionen schon gleich gar nicht.