Neuburg
Unbändige Lust auf neue Klänge

"Medusa Beats" überraschen im Birdland in Neuburg

11.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:05 Uhr

Bringen das Birdland zum Brodeln: Jonas Burgwinkel am Schlagzeug gemeinsam mit Benoît Delbecq und Petter Eldh. - Foto: Leitner

Neuburg (DK) Benoît Delbecq hat die Saiten des Flügels mit Dämmmaterial präpariert und unterlegt die dadurch entstehenden, seltsam verfremdeten Klänge mit dem Pluggern, Zirpen und Flirren eines Synthesizers. Jonas Burgwinkel bearbeitet derweil die mit Tüchern abgedämpften Felle seines Schlagzeugs und bedient sich aus seinem reichhaltigen Fundus an kleinen Perkussionsinstrumenten.

Beide Musiker sind technisch hervorragend, aber darum geht es gar nicht. Es geht um eine in höchstem Maße originelle Verflechtung von Melodik, Harmonik, Rhythmus und vor allem Sound. Lediglich der dritte im Bunde, nämlich Kontrabassist Petter Eldh, spielt weitgehend "normal". Dieses ganz spezielle Klangereignis nennt sich "Medusa Beats", ist eine deutsch-französisch-schwedische Koproduktion und ist an diesem Abend im Birdland in der Neuburger Altstadt zu genießen.

Es kommt einiges zusammen. Delbeqs Herangehensweise, die viel mit John Cage und György Ligeti zu tun hat aber herzlich wenig mit einem Pianotrio im herkömmlichen Sinn, dann Burgwinkels perkussives Spiel, dem es natürlich auch um den richtigen Groove geht, der ihn aber stets dermaßen unter Hochspannung hält, dass man an manchen Stellen tatsächlich meint, die Funken fliegen zu sehen. Das bringt den Raum zum Brodeln.

Dazu kommt die unbändige Lust des Trios auf neue, unerwartete Klänge. Da wird die Musik Malis und Mauretaniens zitiert, da bewegt sich plötzlich eine Komposition in Richtung Minimal Music, da werden Industrial Sounds hörbar. Leichter Wellengang und stürmische See liegen nah beieinander, der Weg vom säuselnden akustischen Lüftchen zur heftigen Böe ist oft gar nicht weit. Bisweilen ist die Szenerie in der Tat fast unwirklich, was erstaunlicherweise dazu führt, dass man als Zuhörer scheinbar die Zeit vergisst, ehe man durch vergleichsweise griffige Kompositionen wie "Caligula" und "Eclectic" wieder behutsam in die Wirklichkeit zurückgeholt wird. Natürlich ist das, was Bandchef Jonas Burgwinkel und seine Kollegen über gut 100 Minuten da von sich geben, keine einfache Kost. Dass man einen allseits bekannten Standard wie "All The Things You Are" - übrigens die einzige Adaption des Abends - kaum wiedererkennt, ist der eindeutige Beweis dafür.

Wenn es um Kompositionen geht, bei denen nur die Eckdaten festgelegt sind, um Stücke wie "Circles And Calligrams" und "Spa" von der neuen CD des Trios, die gerade drei Tage vor dem Konzert aus dem Presswerk kam, wenn es also um die pure Lust an der Improvisation geht und um die Neugier, in ganz spezielle Welten vorzustoßen, dann setzt dieses Trio sicherlich Maßstäbe. Und wer sich als Zuhörer darauf einlässt, dem kann es durchaus passieren, dass er sich plötzlich in Gegenden wiederfindet, von deren Existenz er bisher noch gar nicht wusste.