Neuburg
Trompeter der kontrollierten Offensive

Das Roy-Hargrove-Quintett gastiert im Rahmen des "Birdland Radio Jazz Festivals" in Neuburg

21.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:57 Uhr

Kreative Variationen: Roy Hargrove im „Birdland“ - Foto: Löser

Neuburg (DK) Was hat dieser Roy Hargrove im Verlauf seiner Karriere nicht schon alles gemacht. Mit Funk und Soul geflirtet, Erfahrungen im Bereich des Pop gesammelt, mit Big Bands und kubanischer Musik experimentiert, mit Künstlern des Blues und des Rhythm’n’ Blues gearbeitet.

Im Grunde ist er immer für eine Überraschung gut. Bei seinem Konzert zum Auftakt des langen Abschlusswochenendes des „4. Birdland Radio Jazz Festivals“ freilich kehrt er zurück zu seinem eigentlichen Metier, dem Harbop, dem er zu Beginn seiner Karriere als Erneuerer auf die Sprünge und zu neuen Publikumsschichten verhalf.

Neu interpretierte Standards, in höchstem Maße kreative Variationen über Vorlagen aus der Jazzgeschichte, Bearbeitungen von Songs wie etwa längst zum amerikanischen Kulturgut gehörenden Stücken wie „Close Your Eyes“ und „I Didn’t Know What Time It Was“ – das alles ist die Art von Musik, mit der Hargrove quasi seine Akkus auflädt, auf die er sich anscheinend von Zeit zu Zeit zurückbesinnt, um Kraft zu schöpfen. Über zweieinhalb Stunden tut er dies an diesem Abend im Kellergewölbe unter der Hofapotheke, trefflich unterstützt von Quincy Phillips am Schlagzeug, Ameen Saleem am Kontrabass und dem Pianisten Sullivan Fortner, der scheinbar wie selbstvergessen punktgenau geschmackvolle Begleitakkorde platziert. Und Justin Robinson am Altsaxofon ist mit seinen Tontrauben und sprudelnden Kaskaden, seinen eruptiven Ausbrüchen der ideale Antipode zu seinem Chef.

An der Trompete und am Flügelhorn ist Hargrove ein Meister der kontrollierten Offensive. Sein elegantes, durchaus leidenschaftliches aber eben nicht bedingungslos extrovertiertes, sondern doch eher zurückhaltendes Spiel reibt sich deutlich hör- und spürbar mit dem impulsiven Zugriff Robinsons. Immer wenn diese Konstellation zutrifft und die Chemie gerade zwischen den Bläsern stimmt – das lehrt ein Blick in die Geschichte der großen klassischen Jazzquintette – wird die Sache besonders spannend. So auch hier, etwa kurz vor der Pause, als Hargrove die Kraft einer druckvollen funky Nummer der stillen Schönheit einer reduzierten Ballade besonders eindrucksvoll gegenüberstellt.

Und weil Hargrove trotz der stilistischen Berechenbarkeit seiner Musik schließlich doch nicht ohne eine kleine Überraschung auskommt, ergreift er am Ende bei „Never Let Me Go“ sogar das Gesangsmikrofon und setzt noch einen akustischen Farbtupfer der besonderen Art obendrauf. Fraglos: Die Arbeit mit dem Quintett macht ihm Spaß und tut ihm wirklich gut. Und dem begeisterten Publikum natürlich auch.