Neuburg
Im Lichte der Reformation betrachtet

Robert Helmschrott hat ein Oratorium zum Luther-Jahr geschrieben In Neuburg wird es diesen Samstag uraufgeführt

22.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr

Auch in der Ingolstädter Asamkirche wird das neue Oratorium "Lumen" von Robert Helmschrott aufgeführt werden. Die Uraufführung findet an diesem Wochenende jedoch in Neuburg statt. - Fotos: Dorn/privat

Neuburg/Ingolstadt (DK) Am Samstagabend wird mit "Lumen" eine Komposition von Robert M. Helmschrott (Foto) im Kongregationssaal Neuburg uraufgeführt. Das großangelegte Oratorium erscheint zum Lutherjahr und imaginiert ein friedliches Nebeneinander der Weltreligionen. Eine Serie von Aufführungen in Bayern und Berlin schließt sich an.

Sein erster Impuls war eine Absage. Der Komponist und emeritierte Musikprofessor Robert Helmschrott (79) glaubte, völlig ungeeignet zu sein, als Franz Hauk, der Ingolstädter Leiter des Simon-Mayr-Chors, ihn letzten Sommer für das Luther-Jahr begeistern wollte. Schließlich war Helmschrott in einem katholischen Lehrerhaushalt aufgewachsen, und lange schien die Grenze zwischen beiden Konfessionen unüberwindlich. Helmschrott erinnert sich gut an seine ersten Schritte an der Orgel, die später sein Hauptinstrument werden sollte: Im Kloster Polling bei Weilheim erhielt er von einer Ordensfrau Unterricht, und der Dekan ließ den 13-Jährigen zwar bald schon den Gottesdienst begleiten, verbat sich aber die "evangelische" Musik Bachs. Heranwachsend folgten andere Impulse, er wurde Stipendiat in der "Villa Massimo" zu Rom und arbeitete für die Evangelische Akademie in Tutzing.

Heute sagt der Komponist: "Ich bin ökumenisch orientiert, habe mich auch mit den Traditionen anderer Religionsgemeinschaften auseinandergesetzt. Sonst wäre die Idee zu ,Lumen €˜ nicht entstanden." Denn lange musste ihn sein früherer Student und langjähriger Förderer Franz Hauk nicht bitten, das Luther-Projekt trug schon bald Früchte. Der Arbeitstitel "Luther weiter­denken" schlug den zündenden Funken, soll das Werk doch über das Jubiläum hinausgehen: "Luther selbst war ja auch ein Anreger, ein Gedankengeber", findet Helmschrott. Das Oratorium grenzt sich ab von all den Luther-Büchern, -Filmen und -Ausstellungen, die das Jubiläum für 500 Jahre Luther-Thesen mit sich brachte. "Lumen" zeigt keinen zum Heiligen verklärten Luther und steht weit entfernt von den derzeit florierenden Luther-Musicals oder Theaterstücken, denn der Reformator kommt im Libretto gar nicht vor. Dabei waren Auszüge aus seinem Briefwechsel mit Johannes Eck sowie den Tischreden ursprünglich einmal als Auftritt für zwei Sprecher geplant, sie finden sich auch im Programmheft wieder.

Das etwa 50 Minuten dauernde Oratorium für vier Vokalsolisten, Chor, Harfe und Orchester, welches im Konzertprogramm dem Bachschen "Magnificat" aus dem Jahr 1733 gegenübergestellt wird, setzt aber einen anderen Schwerpunkt. Es basiert auf einer Sammlung von religiösen und philosophischen Texten, welche der Komponist selbst zusammengestellt hat. Sprüche und Psalmen sind hierbei genauso vertreten wie Zitate von Konfuzius, Kant oder Brecht. Die drei abrahamitischen Religionen, also Judentum, Christentum und Islam, stehen im Libretto gleichberechtigt beisammen. Dazu Helmschrott: "Ich bin mir bewusst, dass er aus christlicher Sicht sehr problematisch ist, Zitate aus der Bibel neben welchen aus dem Koran zu stellen. Wenn aber in diesen heiligen Büchern gleiche Sinnbedeutungen bei verschiedenen Textinhalten entdeckt werden können, halte ich es für legitim, den Versuch einer Textannäherung zu wagen. Die Souveränität der Musik hebt den Text, das Wort dann weiter in eine andere Ebene."

Das Spektrum der Texte hat auch auf die Komposition in ihrer Vielschichtigkeit gewirkt: Hier gibt es Chorsätze, die russisch-orthodoxer Kirchenmusik nachempfunden sind und eher traditionell klingen. Gesungen wird aber auch ein arabischer Gebetsruf, wofür sich Helmschrott fachkundige Beratung geholt hat, um den Originalklang authentisch nachzuempfinden. "Lumen" ist folgerichtig auch mehrsprachig. Gesungen wird auch auf Latein, Russisch, Hebräisch und Arabisch, die deutsche Übersetzung ist im ausführlichen Programmheft nachzulesen.

Helmschrott möchte den Dialog weiterführen und nicht die Gräben zementieren, gerade in einer Zeit, wo vielfach das Fremde Furcht erzeugt. "Es dauert wohl noch einmal 500 Jahre, bis man einander respektiert und nicht weiter versucht, einander zu missionieren. Es gibt ja keinen Anspruch auf alleinige Wahrheit."