Neuburg
Zwischen Glaube und Macht

14.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:47 Uhr

Foto: DK

In Neuburg wird die einzige Luther-Ausstellung gezeigt, die nicht nur die Reformation behandelt, sondern auch die Gegenreformation. In der Schau "FürstenMacht & wahrer Glaube" sind wichtige Bauwerke der Stadt integriert, weil sie von der außergewöhnlichen Geschichte Neuburgs handelt.

Neuburg (DK) Kann man Religion mit Füßen treten? Herzog Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg (1578-1653) tat jedená †falls genau das. 1630 lässt er sich als stolzer Herrscher abbilden, der mit seinem rechten Spielbein auf die Confessio Augustana trampelt, der grundlegenden Bekenntnisschrift der lutherischen Reichsstände genau hundert Jahre zuvor. Bekleidet ist er mit dem Ornat des ihm als Verteidiger des rechten Glaubens durch das Kaiserhaus verliehenen Ordens vom Goldenen Vlies. Und neben sich hat er den Bauplan der ursprünglich protestantisch geplanten Neuburger Hofkirche, die nun zu einer jesuitischen Kirche wurde, zu einem einzigen steingewordenen Lob der Heiligen Maria.

Das Gemälde ist derzeit in der groß angelegten Ausstellung "FürstenMacht & wahrer Glaube" zu sehen. Und es sagt viel aus über das Zeitalter, das in dieser sehr sehenswerten Schau gewürdigt wird. Auf den ersten Blick handelt es sich um eine der zahlreichen Luther-Würdigungen, die es in vielen Städten derzeit zu besichtigen gibt. So wurde nur wenige Tage zuvor eine Ausstellung über den Reformator im Germanischen Nationalmuseum eröffnet.

Die Neuburger Schau ist anders, weil sie als einzige in Deutschland nicht nur die Reformation, sondern auch die Gegenreformation würdigt. Das Herzogtum Pfalz-Neuburg ist für eine solche Präsentation besser geeignet als wahrscheinlich jede andere Stadt in Deutschland. Denn fast hundert Jahre lang mussten die Neuburger Bürger das Wechselbad zwischen Reformation und Gegenreformation ertragen. Sie waren Vorreiter des evangelischen Glaubens und zugleich bedeutende Rückkehrer zum Katholizismus.

Wolfgang Wilhelm hat dabei eine wichtige Rolle gespielt, er führte den katholischen Glauben wieder ein, machte den protestantischen Musterstaat seines Vaters Philipp Ludwig (1547-1614) zu einer kurzen Episode in der Geschichte der Stadt. Eine Stadt, die allein deshalb schon für den Protestantismus hochbedeutend ist, weil hier der älteste für den evangelischen Ritus ausgestattete Kirchenraum zu finden ist, die Neuburger Schlosskapelle. Ottheinrich ließ den wunderschönen, quadratischen Renaissancebau 1543 errichten, nachdem er 1542 zum protestantischen Glauben übergetreten war.

Sie ist denn auch der Startpunkt der Neuburger Ausstellung mit ihren rund 150 Exponaten. Wie überhaupt die Schau ganz natürlich sich in die Stadt Neuburg integriert, sie teilweise durchläuft, weil sie eben von der Geschichte dieses Herzogtums handelt. So ist auch der Endpunkt der Schau wieder ein Sakralbau von hohem Rang: genau die Hofkirche, die Wolfgang Wilhelm kurzfristig zum katholischen Bauwerk umbauen ließ. Die Ausstellung verläuft also chronologisch zwischen den beiden Polen Reformation und Gegenreformation.

Dazwischen liegen zehn Kapitel der Geschichte, dargestellt in zehn Ausstellungsräumen. Zentrum sind der Rittersaal und der Fürstengang. Anders als bei bisherigen Ausstellungen kann diesmal der Fürstengang unmittelbar vom Rittersaal aus erreicht werden - dazu wurde extra ein zugemauerter Durchgang geöffnet. Ein echter Durchbruch, fast so etwas wie eine Verbindung zwischen den Religionen.

In den beiden Räumen ist auch das wohl wertvollste Exponat zu sehen: der Reichsapfel des "Winterkönigs" Friedrich V. als Symbol der Pfälzer Kurwürde, sozusagen der Heilige Gral des fürstlichen Machtstrebens.

Im Fürstengang passiert man dann die Lebensgeschichten der protestantischen Herrscher Neuburgs - von Ottheinrich, der mit seiner Frau Susanna gemischtkonfessionell zusammenlebte, über Wolfgang Zweibrücken, Philipp Ludwig bis hin zu Wolfgang Wilhelm, der in einem komplizierten politischen Akt die Gegenreformation einleitete. Daran anschließend werden noch die späteren katholischen Herrscher Philipp Wilhelm und Johann Wilhelm, der sich für eine Einigung zwischen den Konfessionen einsetzte, gewürdigt.

Ein eindringliches Dokument dabei ist etwa Wolfgang Wilhelms Glaubensbekenntnis aus dem Jahr 1613. Aus eher politischem Kalkül hatte der Herzog den Wechsel zum Katholizismus vollzogen, zunächst heimlich, damit sein protestantischer Vater davon nichts mitbekam. Der Religionsübertritt ermöglichte es ihm, Magdalene von Bayern zu heiraten. Das Bündnis mit den Bayern macht den Weg frei für den Wechsel von der Protestantischen Union hin zur Katholischen Liga. Mit deren Unterstützung konnte Wolfgang Wilhelm sich nun im Erbstreit um die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg durchsetzen.

Die Leidensgeschichte der Neuburger Bürger wird in der Ausstellung nur kurz gestreift. Nach dem Grundsatz "Cuius regio, eius religio" hatte sich der Glaube der Untertanen dem Herrscherwillen zu beugen. Die Protestanten wichen auf evangelische Gottesdienste außerhalb der Stadt aus. Dieses sogenannte "Auslaufen" wurde ihnen jedoch untersagt. Vor einer Kommission mussten viele Protestanten sich befragen lassen. Die Verhöre wurden dokumentiert und können an einem multimedialen Bildschirm in der Ausstellung nachvollzogen werden: eine Gesinnungsschnüffelei, wie sie heute Gott sei Dank in Mitteleuropa längst überwunden ist.