Neuburg
Exotik und Leidenschaft

Fulminantes Finale der Barockkonzerte mit Los Temperamentos

09.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:23 Uhr

Entführten im Ottheinrichsaal des Neuburger Schlosses in einen "exotischen Garten": Los Temperamentos. - Foto: Löser

Neuburg (DK) Ja, eine klanglich farbenreiche Blütenpracht, wie sie das Motto bereits ankündigte, konnte man es wirklich nennen, was die Alte-Musik-Formation Los Temperamentos im imposanten Ambiente des Ottheinrichsaals zum Besten gab. Gleich mit dem Eröffnungsstück, einem beschwingten Air von Gabriel Bataille, lud Sängerin Swantje Tams Freier, durch den Mittelgang zur Bühne schreitend, an der Laute dezent begleitet von Hugo Miguel de Rodas Sanchez, das Publikum mit ihrer bezaubernden Stimme ein, an Bord einer fiktiven Galeone zu kommen, bevor sie mit ihren Kollegen nahtlos in eine tänzelnde Ciacona von Tarquinio Merula hinüberglitt.

Die Schiffsreise sollte, wie die Sopranistin danach charmant-unterhaltsam erläuterte, von der "Alten Welt" in die "Neue" führen, von der Klanglichkeit des barocken Europa hin zum exzentrischen Klangkosmos Lateinamerikas, um dort "musikalische Blumen in exotischen Gärten" zu entdecken, wie es auch die Titel einiger überlieferter Sammlungen treffend beschreiben. Auf seiner Seefahrt brachte das Bremer Septett bisher kaum bekannte Kompositionen verschiedener Kontinente und Kulturen zum Erblühen, aus Frankreich, Italien, Bolivien, Peru oder von der Iberischen Halbinsel. Dabei machte es seinem Namen alle Ehre: Los Temperamentos lebten, bei ihrem Auftritt ganz in Rot und Schwarz gekleidet, spieltechnisch wie dramaturgisch von ihrer internationalen Vielfalt. Die Mitglieder stammen aus Deutschland, Ungarn, Mexiko und Kolumbien, jeder bringt unverkennbar seinen individuellen Charakter in die Interpretationen ein. Heraus kommt eine sich gegenseitig befruchtende, eigenwillige, bisweilen explosive, aber in sich stets stimmige Mischung an Ausgestaltungsmöglichkeiten.

Verblüffend, wie viele Nuancen allein Frontfrau und Managerin Swantje Tams Freier ihrer glockenrein hellen, beweglichen Sopranstimme abzugewinnen vermag: Einmal stürzt sie sich bravourös in rasante, perlende Melodieläufe (so im feurig pulsierenden, von Kastagnettenrhythmen durchzogenen "La Petenera" oder in einer wilden, ungezügelten Tarantella), schwelgt in satten Tiefen, dann wieder klingt sie elfenhaft zart, fast zerbrechlich (wie in einem innigen, wiegend-gefühlvollen Liebeslied).

Aber auch die reinen Instrumentalwerke in unterschiedlichsten Konstellationen wussten die Musiker betörend zur Geltung zu bringen. In der Sinfonia von Alessandro Stradella setzten Franciska Anna Hajdu an der Violine, Néstor Fabián Cortés Garzón am Cello und Nadine Remmert am Cembalo leidenschaftliche bis melancholische Fugato-Akzente. Eine anonyme Gayta, die sich als steigernde Kantilene über einem festen Grundton aufbaute, bot für alle Musiker, ebenso wie die folgende, variationsreiche Pasacalle, den idealen Rahmen, um hörbar zu machen, was das Stichwort "florieren" für die Barockmusik bedeutet - nämlich die Melodien kunstvoll zu verschönern, zu ornamentieren, zu verzieren, aus jeder der einzelnen Tonblüten einen bunten Blumenstrauß zu kreieren. Solistisch brillieren konnten vor allem Nadine Remmert mit Domenico Scarlattis maurisch beeinflusster, in einen flamencohaften Rausch mündender Cembalosonate, wie auch Anninka Fohgrub in einem virtuosen Flötenkonzert.

Genau dieses herrliche, ebenso lustvoll wie authentisch entfesselte südlich-fremdländische Kolorit machte die wesentliche Faszination des Abends aus. So ging das Konzert seinem Höhepunkt mit verschiedenen Sätzen aus Peru entgegen, in denen der Muttergottes gehuldigt, Leid geklagt und Marinesoldaten besungen wurden. Langsam und meditativ begann Miguel Angel Altamar de la Torre seine Perkussionsimprovisation, in die die übrigen Instrumente unisono einfielen, ehe Swantje Tams Freier, beim Refrain vokal unterstützt von den übrigen Damen, ihre geradezu euphorische Marienhuldigung anstimmte. Zu einem Bekenntnis überschäumender Lebensfreude wuchs das Gesangsduett zwischen ihr und Gitarrist Hugo Miguel de Rodas Sanchez an. Ein Seemannslied inszeniert als neckisches Spiel, als kokettes Zwiegespräch zwischen einem Soldaten und seinem imaginären Mädchen. Dafür spendete das mitgerissene Auditorium reichlich Applaus.