Neuburg
Draufgänger, Träumer, Macho

Konzert im Neuburger Birdland I: Das Aaron Goldberg Trio

22.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr

Lust am Experiment: Aaron Goldberg im Birdland. - Foto: Leitner

Neuburg (DK) Man hat ja nach 192 Folgen der Birdland-Reihe "Art Of Piano" schon etliche Pianisten des Jazz bei der Ausübung ihres Berufes beobachten können, und nicht selten ging es dabei um Virtuosität im wahrsten Sinne des Wortes. Aaron Goldberg, der Mann aus Brooklyn, der an diesem Abend im Gewölbe unter der ehemaligen Hofapotheke in der Neuburger Altstadt gastiert, ist selbst in diesem illustren Umfeld noch mal eine Offenbarung.

Dass er spätestens nach seiner Zusammenarbeit mit Joshua Redman und Wynton Marsalis von vielen als einer der führenden Pianisten des Jazz überhaupt gehandelt wird, verwundert nach diesen 120 Minuten nicht mehr.

Er steht für so ziemlich alle Facetten, die man sich nur denken kann. Goldberg ist einer, der kraftvoll zupackt, sich ganz bewusst zurücknimmt, der mit unglaublicher Rasanz vorprescht, dann wieder fast melancholisch einigen wenigen Tönen nachhängt. Er ist Draufgänger, Romantiker, Macho und Träumer, er lotet alle Möglichkeiten aus, die sein Instrument ihm bietet, leuchtet in die hintersten Winkel, greift dem Flügel durchaus mal in die Eingeweide. Dabei sprudeln die Ideen geradezu aus ihm heraus. Etwa dann, wenn er den Klassiker "Black Orpheo" rhythmisch durch den Wolf dreht, Kenny Barron's "Ambrosia" oder Bobby Hutcherson's "Ballade "When You Are Near Me" aufmischt. Oder wenn er das Bluesschema von "Tokyo Dreams" gnadenlos zerlegt, dabei aber sehr darauf bedacht, dass die Ruine immer noch deutlich erkennbar bleibt, dann verrät das nicht nur seine Lust am Experiment, sondern auch eine unglaubliche Souveränität.

Mit dem Kontrabassisten Yasushi Nakamura und dem Schlagzeuger Leon Parker hat er exakt die Kollegen, die er für sein Projekt braucht. Ersterer füllt mit mächtigem, voluminösem Ton sämtliche Räume, Parker, der ohne Hi-Hat auskommt, brilliert als Human Beatbox, indem er seine Stimme und den Brustkorb zusätzlich für perkussive Zwecke nutzt. Vor allem aber stehen diese beiden in ständigem Kontakt zu ihrem Bandchef. Man wirft sich gegenseitig, auch wenn's rhythmisch oder tonal noch so diffizil zugeht, mit traumwandlerischer Sicherheit die Bälle zu, reagiert aufeinander, übernimmt, kommentiert, konterkariert. Das geschieht nicht nur mit unglaublichem Einfühlungsvermögen, sondern auch mit Verve und mit Witz, und immer wieder sieht, hört und spürt man, wie bei einer besonders verwegenen Aktion den Beteiligten quasi der Schalk im Nacken sitzt.

Dass es am Ende zwei Zugaben gibt, ist nicht verwunderlich. Was hatte das Programmheft angesichts des Gastspiels des Aaron Goldberg Trios vorausgesagt? "Ein Festtag für die Freunde des Pianotrios" würde es werden. Ja, genau ein solcher war es.