Neuburg
Amüsant und sachkundig

19.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:33 Uhr

Bayerischer Dreier: Eine heitere Runde diskutierte im gut halb gefüllten Neuburger Stadttheater über die Zukunft des Bayerischen Dialektes: Exil-Bayer Gerhard Meier, Sprachwissenschaftler Anthony Rowley, DK-Chefredakteur Michael Schmatloch als Moderator und DJ Monaco Fränzn (von links). - Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Sprachmord oder Sprachselbstmord? "Ich finde scho, es geht dahie mit dem Boarischen", meint Gerhard Meier seufzend. Der Mann aus Lyon mit bayerischem Migrationshintergrund übernimmt die Pessimistenrolle im "Bayerischen Dreier". So lautet der Titel der heiteren Gesprächsrunde über das Bayerische im Neuburger Stadttheater.

Im Rahmen des Festivals "Fliesstext10" diskutieren Anthony Rowley, gebürtiger Engländer, nun außerplanmäßiger Professor für Germanistik an der Ludwig-Maximilian-Universität München und Mundartforscher für bairische Dialekte, Gerhard Meier, gebürtiger Niederbayer, heute in Lyon lebend und innerhalb seiner deutsch-französischen Familie das Bayerische pflegend, sowie Monaco Fränzn, Philosoph und bayerischer Rapper. Den ersten von zahlreichen Lachern verdient sich DK-Chefredakteur Michael Schmatloch. Er weist darauf hin, dass sein Engagement durch Steffen Kopetzky als Moderator auf einem Irrtum beruhe: "Ich stamme zwar aus Oberhausen, aber aus Oberhausen im Ruhrpott."
 
Mit reichlich Wortwitz, hintergründig und sachkundig spürt die muntere Runde den Ursachen für einen vermeintlichen oder tatsächlichen Schwund des Bayerischen nach. Meier hat sich gar "sehr erschrocken gefragt, ob die Bayern schon ausgestorben sind, weil sie mich aus Lyon holen" Schwarz sieht er jedenfalls für seine Heimatstadt Landshut, während Monaco Fränzn beiträgt: "Im Bayerischen Wald findet sich extrem selten jemand, der Hochdeutsch spricht."

Rowley vermittelt. "Die Stadt hat schon immer ,besser‘ gesprochen als das Land", skizziert er den alten Trend, mit der Landflucht alles Verbindende, also auch die Sprache, abzulegen, was letztlich zum "Münchner Bonzen-Bayerisch" führte. Meier dagegen will in Lyon durchhalten – "bis zum bitteren Ende".

Im Gegensatz zu ihm sieht Rowley durchaus Positives an der aktuellen Zweisprachigkeit und keinen Identitätsverlust der Bayern, wenn sie öffentlich Hochdeutsch reden. Er meint sogar, je mehr Vereine die bayerische Sprache schützen wollten, desto schlimmer werde es. Monaco Fränzn verspürt einen "Bewusstseinswandel, dass Bayrisch cool ist" – vor zehn Jahren sei eine Radiosendung, in der er reden dürfe, wie ihm der Schnabel gewachsen sei, undenkbar gewesen.

Einig sind sich alle Podiumsteilnehmer, dass Dialekt eine Frage des Selbstbewusstseins, nicht aber von Geld oder Bildung sei. Wenn sich keiner mehr traue, Bayerisch zu reden, lasse sich nichts machen. Monaco Fränzn fragt, warum sich in Kindertagesstätten das Bayerisch nicht durchsetze, selbst wenn Dialektkinder in der Überzahl seien? Dann sei es wohl doch kein Sprachmord, sondern eher Selbstmord . . . Er dagegen redet "auch mit Berlinern bayerisch, die reden ja auch berlinerisch mit mir".

Ein interessantes Beispiel für die Evolution von Sprache und Dialekt trägt Meier bei. Sein Bayerisch hat sich durch den mehr als 20-jährigen Aufenthalt in Lyon nicht verändert. So benutze er heute noch Ausdrücke, die seine eigene Mutter den Kopf schütteln ließen: "Bua, das sagt man doch heute nicht mehr."

Einen Ausblick erfragt Schmatloch am Ende der Veranstaltung. Der bayerische Rapper meint, "auf dem Land wird sich der Dialekt halten". Meier schielt neidvoll auf die Schweiz, wo seit dem Zweiten Weltkrieg wieder vermehrt Dialekt gesprochen und Hochdeutsch zurückgedrängt werde und hofft, "dass man so was auch in Bayern organisieren könnte". Für Rowley ist klar, dass "die Bayern es in ihrer Sprache ausdrücken werden, solange sie stolz auf Bayern sind".