München
Zur Lüge verdammt

Hinreißend: Nicolas Barreaus "Das Lächeln der Frauen" in der Komödie im Bayerischen Hof

21.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:45 Uhr

Umschwärmter Literat: Restaurantbesitzerin Aurélie (Dominique Siassia) will sich unbedingt mit ihrem Idol treffen, dem Lektor und Schriftsteller Robert Miller (Rolf Bauer). - Foto: Moenckert

München (DK) Das gibt's ja gar nicht so selten: Lektoren, die von der Begutachtung all der mittelmäßigen und trivialen Manuskripte, die ihnen zur Veröffentlichung angeboten werden, völlig frustriert sind und selbst zur Feder greifen. Die Klischees, die Romane zu Bestsellern werden lassen, kennen sie schließlich zur Genüge.

Also ran an die Schreibarbeit, aber unter Pseudonym, damit die Lektorenehre gewahrt bleibt.

Der darauf folgende Verkaufserfolg lässt die Kassen kräftig klingeln. Doch die PR-Abteilung des Verlages hat plötzlich ein großes Problem, denn die Reporter stehen für Gespräche mit dem so hoffnungsvollen Schriftsteller und literarischen Senkrechtstarter schließlich Schlange. Der aber, will er sein Inkognito wahren, muss sich allen Interview-Wünschen verweigern, selbst wenn eine von der Lektüre dieses Schmachtfetzens restlos begeisterte Leserin diesen Autor unbedingt kennenlernen will.

20 Monate stand Nicolas Barreaus "Das Lächeln der Frauen" auf der "Spiegel"-Bestsellerliste. Ein Buchhit, der in der flotten Bühnenfassung von Gunnar Dreßler als Produktion des Karlsruher Kammertheaters nun in der Münchner Komödie im Bayerischen Hof Station macht und das Premierenpublikum begeisterte.

Eine witzige Lovestory mit Pariser Flair, vor allem jedoch mit reichlich Geflunker hat Dreßler aus diesem Roman destilliert. Genau das passende Lesefutter für die junge Restaurantbesitzerin Aurélie Bredin, die alles daran setzt, mit dem von ihr schier grenzenlos angehimmelten Robert Miller, dem Verfasser dieses Schmachtfetzens, in Kontakt zu kommen. Doch der Verlagslektor André, in Personalunion Autor dieses Schinkens und selbsternannter engster Vertrauter dieses so zurückgezogen lebenden und die Öffentlichkeit scheuenden Schriftstellers, sucht dies freilich mit allen Tricks zu verhindern.

Zweigeteilt ist die Bühne (von Thomas Florian Angerer): links eine Pariser Mansarde mit - natürlich - einem Lotterbett in der Mitten und Plakaten von Toulouse-Lautrec an den Wänden, der Kuschelraum von Aurélie, rechts Andrés mit Bücherregalen samt Alkoholika und Krimskrams vollgestopfte Dichterstube.

Wie beim Ping-Pong-Spiel springt das Geschehen zwischen beiden Räumen stets hin und her. Während Aurélies unstillbare Sehnsucht nach einer Zusammenkunft mit "Robert Miller" immer heißer wird, zumal sie sich in der weiblichen Hauptfigur des Romans samt ihrem kleinen Lokal zu erkennen glaubt, hat der "zur Lüge verdammte" André, wie er verzweifelt bekennt, alle Mühe, das Groupie abzuwimmeln. Doch von Aurélies unaufhörlichem Drängen völlig genervt arrangiert er schließlich ein Treffen zu Dritt, bei dem der ach so ersehnte Schriftsteller dank Andrés Ausflüchten und windigen Erklärungsversuchen letztlich nicht erscheint. Doch nach dieser Riesenenttäuschung und der Aufdeckung des Schwindels darf das Happy End zwischen Aurélie und André selbstverständlich nicht fehlen. Schließlich ist "Das Lächeln der Frauen" in der Theaterfassung ein Boulevardstück, ein höchst witziges und hier auch rasant abschnurrendes dazu.

Während Dominique Siassia als Aurélie mit ebenso nimmermüder wie fast schon hysterischer Hingabe auf die Fährte des geheimnisvollen Verfassers ihrer Lieblingslektüre sich begibt und wie eine schwärmerisch Pubertierende voll nervöser Erwartung dem Date entgegenfiebert, verkörpert Rolf Bauer, der hier auch Regie führte, den armen Tropf des Lügners und Verleugners geradezu hinreißend. Mit lausbübischem Charme reiht er Ausrede an Ausrede aneinander, um Andrés Inkognito zu wahren.

Und wenn der inzwischen 50-Jährige als ehemaliger Teenie-Schwarm hier den ewig jungen, schlaksigen Sunnyboy abgibt, da hat er die Damen im Parkett ebenso voll auf seiner Seite wie das gesamte Publikum beiderlei Geschlechts, wenn er den cholerischen Verlagschef aus England mit französischem Akzent oder Robert Millers Literaturagenten im Schwyzerdütsch köstlich parodiert.

Bis 13. August in der Münchner Komödie im Bayerischen Hof. Kartentelefon: (0 89) 29 28 10.