München
Von wegen Ende

Das Museum Brandhorst beweist mit der Ausstellung "Painting 2.0", wie zeitgemäß die gern totgesagte Malerei ist

23.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:31 Uhr

Die Ordnung der Welt: Matt Mullican ist mit diesem Werk von 1981 in der Ausstellung „Painting 2.0“ im Museum Brandhorst vertreten – eine der umfangreichsten musealen Malereiausstellungen der vergangenen Jahre. - Foto: Baracchi, Courtesy of the artist/Mai 36 Galerie, Zürich

München (DK) Ein hölzerner Müllcontainer, gefüllt mit zerbrochenen Keilrahmen und bemalter, zerschnittener Leinwand – ist dies das Ende der Malerei? „Mitnichten!“, widerspricht die Ausstellung, die mit dieser Provokation von Martin Kippenberger eröffnet wird. Vielmehr zeigt das Museum Brandhorst erstmals im gesamten Haus eine Schau, die mit 230 Exponaten von 107 Künstlerinnen und Künstlern beweisen will, dass das Ende der Malerei zwar immer wieder vorausgesagt wird, aber Totgesagte leben eben doch länger.

Und „Painting 2.0 – Malerei im Informationszeitalter“, so der Titel der Schau, will sogar darstellen, dass digitale Technologien und die Malerei in einer produktiven Reibung zueinander stehen.

Wer sich in diesem Jahr die Kunstbiennale von Venedig angesehen hat, der wurde den Eindruck nicht los, dass die Video-Kunst die Oberhand gewinnt gegenüber den klassischen Gattungen der Kunst. Allzu verführerisch ist es, sich Film um Film fremde Welten zu erschließen – und das auf scheinbar einfache, konsumorientierte Art und Weise, die auch müde oder nur mäßig interessierte Betrachter erreicht. Ganz anders die Malerei, die zuweilen hermetisch oder verschlüsselt wirkt und die ihre Botschaften selten so ins Gesicht schreit wie der Film.

Der Kunstmarkt freilich hat ganz andere Gesetze. Seit Jahrzehnten explodieren die Preise für Gemälde von gefragten Künstlern. Die Käufer, die Kunst als Wertanlage betrachten, setzen nach wie vor auf Ölfarben. Und sie wollen Originale – keinen 3-D-Print aus dem Drucker. Insofern ist diese Ausstellung am Puls der Zeit, wenn sie Namen versammelt wie Gerhard Richter, Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Sigmar Polke und Yves Klein – um nur einige zu nennen.

Die Überraschung aber sind die Frauen, die Kuratorin Manuela Ammer vom „Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig“ in Wien versammelt hat, um zu zeigen, dass die Gegenwart der Kunst ganz stark von Malerinnen geprägt wird. Zu ihnen gehört beispielsweise die 2014 gestorbene Österreicherin Maria Lassnig mit ihren Körper-Bildern, die Deutsche Monika Baer mit ihren Aquarell-Portraits nach Fotografien oder die Amerikanerin Nicole Eisenman mit ihren ironischen, figurativen Bildern, die auch einmal die Mal-Blockade der Künstler aufs Korn nimmt.

Fazit der Kuratorin: „Ohne Körper gibt es keine Geste“ und „der Körper ist zentrales Erkenntnis-Instrument“. So sehr Medien und soziale Netzwerke sich in die Kunst vorgearbeitet haben, so oft eine Spektakel-Gesellschaft Thema wird in der Malerei und digitale Reproduktionstechniken das Original bedrohen: Der Körper des Menschen, dieses verletzliche Gefäß von Geist und Seele, steht noch immer im Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens. Neue Technologien werden in Kunstwerken zitiert, ja sogar integriert in die Malerei. Aber das eigentlich Spannende ist nicht die Oberfläche des Handys, sondern der Mensch, der es in der Hand hält, wie etwa im überfüllten Biergarten, gemalt von Nicole Eisenman.

Den Aufruf „Hört auf zu malen!“, ein Bild von Jörg Immendorf aus dem Jahr 1966, hat nicht mal er selbst befolgt.