München
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"Sweat of the Sun": Enttäuschende Eröffnung der Münchener Biennale

29.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:45 Uhr

München (DK) In der Erinnerung wird das Früher oft schöner, als es eigentlich war. Das gilt auch für die Biennale für neues Musiktheater in München. Nach dem Eröffnungs-Wochenende des diesjährigen Festivals macht sich jedenfalls große Ernüchterung breit.

Fast schon sehnt man sich nach der alten Leitung unter Peter Ruzicka zurück. Bis 2014 hatte er die von Hans Werner Henze 1988 begründete Reihe angeführt.

Eine derart flache Eröffnung hatte man noch nicht erlebt. Dabei sollte jetzt bei der Biennale ein frischer Wind wehen. Mit Manos Tsangaris und Daniel Ott wurde ein Leitungsduo eingesetzt, das eine Öffnung und Erneuerung des Festivals anstrebt. Unter dem Motto "OmU - Original mit Untertitel" möchte die diesjährige Reihe die Vielstimmigkeit sozialer Lebenswelten reflektieren.

Eine Vielfalt neuer Formen und Formate des Musiktheaters soll hierzu erprobt werden, wobei die Münchner Szene eine größere Rolle spielt als bislang. Vor allem aber soll der konventionelle Produktionsprozess aufgebrochen werden, das Arbeitsschema also vom Librettisten und Komponisten über Partitur und Verlag bis hin zur Dramaturgie. Für die jetzige Biennale wurden Plattformen in München und Bern zum Austausch der Künstler geschaffen.

Indessen klafften schon im Musiktheater "Sweat of the Sun" für zwei Schauspieler, fünf Sänger und Ensemble von David Fennessy gewaltige Fragezeichen. Der Stoff basiert auf Notizen, die Werner Herzog 1982 beim Dreh zu seinem Film "Fitzcarraldo" geschrieben hatte. In dem Streifen versucht ein fanatischer Opernnarr (Klaus Kinski), mitten im Regenwald des Amazonas ein Opernhaus zu bauen.

Herzogs Tagebuch verrät viel über den Wahnsinns-Dreh mit dem Choleriker Kinski. Nichts davon ist bei Fennessy zu sehen. Auch die berühmte Filmszene, bei der ein Schiff über einen Berghang geschleppt wird, ist nur in den Videos angedeutet. Selbst ein psychologischer Zustand wurde nicht dargestellt, obwohl es hier nicht zuletzt um eine sinnentleerte Sisyphos-Arbeit im Stile von Albert Camus geht. Was Fennessy wollte, blieb unklar. Dafür aber vollbrachte das Münchener Kammerorchester einen Ohrenschmaus allererster Güte. Unter Alexander Liebreich und Sebastian Schwab changierte die Musik packend zwischen großflächigen Ausbrüchen, geräuschhaften Partikeln sowie Cluster- und Glissando-Strukturen.

Dagegen scheiterte Simon Stehen-Andersen mit "if this then that and now what" kläglich. Hier ging es um die ewige Frage nach dem Sein und Sinn von Musiktheater, worüber in den letzten Biennale-Jahren von Ruzicka oft gestritten wurde. Ein pseudo-intellektuelles Gequatsche ist herausgekommen, das sich über ermattende 140 Minuten dahinschleppte - auch für die großartigen Musiker des kooperierenden Staatstheaters Mainz eine Folter.

Bis zum 9. Juni sind zwölf weitere Uraufführungen zu sehen, darunter "Underline" von Hugo Morales Murguía nach E. A. Abbotts Zukunftsroman "Flatland". Es steht viel auf dem Spiel.