München
Viel bayerisches Klischee

Maximilian Brückner stellt am Volkstheater München seine erste Regiearbeit vor

24.02.2012 | Stand 03.12.2020, 1:47 Uhr

Immer unter reichlich Qualm: der Wirt Thomas (Wolfgang Maria Bauer, vorne) und sein ins Rotlicht abgeglittener Sohn (Florian Brückner). - Foto: Arno Declair

München (DK) Als Startheater gibt sich das Volkstheater bei der Premiere von „Magdalena“: Wolfgang Maria Bauer alias „Kommissar Siska“ und Florian Brückner, bekannt aus diversen Rosenmüller-Filmen in den Hauptrollen, Alexander Duda, sonst bei den „Rosenheim-Cops“ Polizeidirektor, auch hier als Amtsperson und auch den Dorfpfarrer, Peter Mitterrutzner, kennt man aus Film und Fernsehen.

Die Sahnehaube auf dem Starparfait bildet aber natürlich Maximilian Brückner, bis kürzlich noch Kommissar Kappl aus den saarländischen „Tatort“-Folgen, der seine erste Regie vorstellte.

Das Stück selbst ist wenig bekannt – eine Paraphrase auf die „Maria Magdalena“ von Hebbel aus der Feder des Oberammergauer Volksdichters Ludwig Thoma, die sicher bei ihrer Uraufführung vor genau hundert Jahren in Berlin mehr über die drückende Enge dörflich-katholischer Moral aussagte als heute, wo Vereinsamung vor dem Fernseher, Demonstrationen für Umgehungsstraßen und das Warten auf schnelle Internetverbindungen das Dorfleben mehr prägen als Kirche, Wirtshaus und Dorftratsch.

Maximilian Brückner bearbeitete das im Duktus recht langatmige Volksstück, indem er aus der gefallenen Tochter einen Sohn macht – und diesen mit seinem Bruder besetzt. Tatsächlich geht das Konzept auf. Die Geschichte des in die dörfliche Enge zurückgekehrten Strichers birgt auch heute noch reichlich Sprengstoff, der das ganze Konglomerat von Heimat, Moral und Ehrbarkeit exemplarisch in die Luft gehen lässt.

Dass der Vater diese Biografie einfach nicht verstehen kann, dass die schwer kranke Mutter (eine kleinere, aber perfekt ausgefüllte Rolle für Ursula Burkhart) ihren frommen Buben nicht wiedererkennen mag und es ihr das Herz zerreißt – hier funktioniert eine Stückbearbeitung einmal wie mit Griebenschmalz geschmiert und errettet das Drama aus der theaterhistorischen Ecke des Bücherregals.

Dabei hat die Regie, die dem Abend unglücklicherweise zwei Stunden Spieldauer ohne Pause auferlegt, durchaus ihre Schwächen, und der Abend seine Längen. Die vielen heiß geliebten Klischees des Regisseurs stören schon nach kurzer Zeit: Ständig werden gedankenvoll Zigaretten geraucht, schäumende Bierkrüge auf Bierbänken gestemmt, schallt die dämlichste Volksmusik aus dem Radiogerät, werden Holzscheitl und Bierbänke herumgeworfen und Tische umgestürzt.

Hier wurde der Regisseur wohl vom Klischee-Hammer erschlagen. Doch dass die Schauspieler den Abend trotz aller Schwächen bedingungslos stützen, ist offensichtlich und rühmenswert, ebenso der saubere Umgang mit der Dialektsprache, der erholsam von allem Salon-Bairisch absticht. Sogar kleine Figuren wie die drei Dorfhelden (Peter Fasching, Franz Maier, Ferdinand Schuster) geben alles – ob sie als singende Hirschköpfe an der Wand menetekeln oder das gesellschaftliche Ende des Bauernsohnes, das als Travestie-Nummer angelegt ist, einleiten und völlig außer Rand und Band geraten.

Dieser verlorene Sohn, Florian Brückner, ist ein Hemd auf Beinen zum Mitleidbekommen – und bei aller Vielfalt seiner Darstellung lässt er doch die Gretchenfrage offen, ob er aus Geldnot, Zufall, Neigung oder gar Dummheit in die Prostitution geriet.

Sein Vater ist in allem ein Gegenstück, und auch fast zwanzig Jahre nach jenem legendären „Romeo“ am Residenztheater, wo er sich in kraftzehrender Todesspirale als Mercutio in die Münchner Theatergeschichte einschrieb, ist Wolfgang M. Bauer eine Theaterdampfmaschine von unbändiger Energie.

Wie er ringt gegen seinen Instinkt und für diesen Sohn, wie er sich am Ende zu ihm bekennt, um ihm dann doch den mitleidenden Gnadenstoß zu geben wie einem nicht lebensfähigen Tier: Das hat eine selten anzutreffende, monolithische Qualität – „edle Einfalt, stille Größe“? Ja, womöglich.

Weitere Vorstellungen am 3., 4., 17. und am 18. März.