München
Verzweifelte Identitätssuche

Fassbinders "In einem Jahr mit 13 Monden" im Münchner Marstalltheater

13.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:30 Uhr

Fulminante Darstellung: Thomas Loibl als Elvira Weishaupt zusammen mit Mathilde Bundschuh als Marie-Anne. - Foto: Fersterer

München (DK) Autobiografisch ist ja vieles in Rainer Werner Fassbinders voluminösem Gesamtwerk. Aber in dem 1978 entstandenen Film mit dem zwar sperrigen, aber symbolhaften Titel "In einem Jahr mit 13 Monden" hat er seinem langjährigen Lebensgefährten Armin Meier ein ebenso rührendes wie trauriges literarisches Denkmal gesetzt.

Denn dieser Freund beging Selbstmord, nachdem Fassbinder die Beziehung zu ihm beendet hatte. Aufgrund der Schuldgefühle über diesen Freitod und aus posthumer Verehrung verarbeitete Fassbinder diese persönliche Krise in dem Film, dessen Vorspann den Titel erklärt: "Jedes 7. Jahr ist ein Jahr des Mondes, in dem besonders viele Menschen an Depressionen leiden. Wenn aber ein Mondjahr gleichzeitig noch ein Jahr mit 13 Neumonden ist, wie 1978, kommt es zu persönlichen Tragödien."

Erwin Weishaupt heißt Fassbinders Freund aus frühen Münchner Zeiten hier, der sich im falschen Körper geboren fühlt. Nach einer Geschlechtsumwandlung nennt er sich Elvira Weishaupt, trägt stolz Perücke und feminine Kleidung, während er sich auch innerlich als Frau bedeutend wohler fühlt und zunächst zufriedener ist als in der nun abgelegten maskulinen Rolle. Doch zunehmend tauchen bei Elvira Zweifel auf, ob die neue Identität wirklich das innere Gleichgewicht nicht nur hergestellt, sondern auch befördert hat: Von seinem neuen Freund Anton, den er geradezu winselnd um Anerkennung und Liebe anbettelt, wird er auf das Widerlichste erniedrigt, und einige der in Elviras früherem Leben vertrauten Menschen, mit denen er wieder Kontakt aufnimmt, entpuppen sich als restlos kaputte Psychokrüppel von unbarmherziger Kälte. Einsam sind sie alle, egozentrisch und narzisstisch, abhängig von Drogen und Alkohol, als Outcasts Gestrandete und Gestrauchelte in einer obskuren Parallelwelt, die Elvira wieder verlassen möchte. Doch es ist zu spät: Ehefrau und Tochter haben sich vom Transgender-Gatten und -Vater abgewendet und für immer losgesagt. Elviras Suizid setzt der verzweifelten und letztlich gescheiterten Identitätssuche ein Ende.

Als tief melancholisches und auch deprimierendes Psychodrama hat der polnische Regisseur Aureliusz Smigiel diesen schonungslosen Seelenstriptease anhand von Fassbinders Filmprotokoll auf der Marstallbühne des Münchner Residenztheaters in Szene gesetzt. Eine an- und berührende Aufführung, in der neben Mathilde Bundschuh, Nora Buzalka, Philip Dechamps, Marcel Heuperman und Götz Schulte als Angehörige und Weggefährten der Hauptfigur vor allem Thomas Loibl in der Transgender-Rolle von Erich/Elvira Weishaupt brilliert. Eine fulminante Darstellung, die ganz gewaltig unter die Haut geht.

Die nächsten Aufführungen sind am 15. und 29. März sowie am 2. und 10. April. Karten: (0 89) 21 85 19 40.