München
"Überall glänzendes, schimmerndes Gold"

Eine Ausstellung in München zeigt, wie der Brite Howard Carter die Grabkammer Tutanchamuns entdeckte

06.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:27 Uhr

 

München (DK) „Ich sehe wunderbare Dinge,“ sagte der Archäologe Howard Carter zu seinem Freund und Förderer Lord Carnarvon, als er zum ersten Mal eine flackernde Kerze in ein Loch zur Vorkammer des Grabes von Tutanchamun, dem vor mehr als 3300 Jahren verstorbenen Kind-König, hielt.

Einer der wichtigsten Momente der Archäologie.

Denn dem britischen Autodidakt gelang am 26. November 1922 einer der größten Funde der Menschheitsgeschichte: Das letzte noch nahezu vollständig erhaltene Grab eines Pharaos, geradezu überfüllt mit mehr als 5300 Exponaten. „Seltsame Tiere, Statuen und das Gold – überall glänzendes, schimmerndes Gold!“, schwärmte der völlig überwältigte Archäologe.

Die Entdeckung des Schatzes war die Tat eines unbeirrbaren Dickschädels. Fünf Jahre lang suchte Carter nach dem Grab des vergessenen Pharaos und setzte dabei ein kleines Vermögen seines Gönners Lord Carnarvon in den ägyptischen Wüstensand. Der britische Mäzen wollte schon aufgeben, aber Carter überredete ihn, einen letzten Versuch zu unternehmen im weitgehend ausgeplünderten Tal der Könige – und hatte endlich Erfolg.

Die Geschichte dieser Ausgrabung wirkt spannend wie ein Abenteuerroman. Jetzt kann sie fast hautnah verfolgt werden. Denn in der Tutanchamun-Ausstellung, die gerade in der Kleinen Olympiahalle München eröffnet wurde, wird der Pharaonenschatz aus der Perspektive des Ausgräbers Howard Carter präsentiert. Die drei für die vielen Kunstobjekte viel zu kleinen Grabkammern wurden genau so hergerichtet, wie Carter sie zuerst sah. Damit ist die Münchner Schau (die in ähnlicher Weise bereits 2009 gezeigt wurde) eindrucksvoller als wohl jede Pharaonen-Ausstellung, die es je gegeben hat. Möglich wurde das nur durch einen Kunstgriff: Gezeigt werden in München ausschließlich Repliken. Die wurden jedoch auf technisch höchstem Niveau gefertigt – oft in vollkommen gleicher Art wie die Originale. Selbst Ägyptologen können in der Regel den Unterschied zu den echten Kunstwerken nicht erkennen.

Viele Objekte sind zweimal aufgebaut: einmal in den korrekt arrangierten Kopien der Grabkammern und dann noch einmal einzeln in einem größeren Raum. Rund 1000 der wichtigsten Objekte des Grabes sind ausgestellt.

Wer das originale Grab Tutanchamuns bereits einmal gesehen hat, kann sich kaum vorstellen, dass so viele Exponate auf so kleinem Raum zusammengedrängt werden können. In der Tat wurde die enge Grabkammer für Carter zur Herausforderung. Die bis zu 15 Zentner schweren Schreine aus Gold, Gips und Holz konnten nur mit größter Anstrengung demontiert und herausgetragen werden. Es dauerte zehn Monate, bis das Ausgrabungsteam bis zum Allerheiligsten vorstieß, dem innersten Sarg des 18-jährigen Gott-Königs aus purem Gold.

Der Grund für die ungewöhnliche räumliche Enge ist naheliegend. Niemand rechnete damit, dass Echnatons Sohn bereits so früh sterben würde. Daher wurde eilig eine unterirdische Grabkammer ausgewählt, die eigentlich für jemand anderen bestimmt war, möglicherweise einen höheren Beamten.

Vielleicht ist diese Improvisationskunst in der Not geradezu ein Glücksfall. Denn Tutanchamuns Grab war so klein und unscheinbar, dass Räuber es jahrtausendelang nicht entdeckten. Und wahrscheinlich deshalb können die Ausstellungsbesucher heute mit ähnlich großer Verwunderung wie Howard Carter einst ausrufen: „Ich sehe wunderbare Dinge.“