München
Trashcomedy über Nazis

Nick Whitbys "Sein oder Nichtsein" zum Saisonauftakt im Volkstheater München

30.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:44 Uhr

Schmierentheater in Polen: (v. l.) Pascal Fligg, Mara Widmann, Leon Pfannenmüller, Oliver Möller, Magdalena Wiedenhofer. - Foto: Declair

München (DK) In symbolisch sattes Blutrot ist die gesamte Bühne getaucht. Hohe Wände, hohe Türen, hohe Fenster – und inmitten dieses klaustrophobisch einschüchternden, der Berliner Reichskanzlei nachempfundenen, Empfangsraumes (von Jorge Enrique Caro) protzt ein monumentaler schwarzer Schreibtisch, um den herum aberwitzige Nazi-Prolls in SS-Uniformen grölen, brüllen und den Hitler-Gruß zelebrieren: Das Ensemble eines Warschauer Theaters probt eine Parodie auf den „Führer des Deutschen Reiches“ und seine Gefolgsleute.

Als die Wehrmacht im September 1939 Polen überfällt, wird freilich unter den Augen der Besatzungsmacht auf die Hitler-Satire verzichtet und „Hamlet“ wieder ins Programm genommen, bis das von Bomben beschädigte Theater schließen muss. Doch die Schauspielercrew lässt sich nicht entmutigen, holt ihre Nazi-Klamotten aus dem Fundus und liefert als feurige Pseudo-NS-Truppe der Gestapo reichlich Paroli. Verwechslungen und Verwicklungen zuhauf. Intrigen, Bespitzelungen und Hinterlist ohne Unterlass. Ein paar Sexeinlagen nicht zu vergessen. Der historische Hintergrund des deutschen Überfalls auf Polen verkommt dabei zur Klamotte.

Als Ergänzung zu Charly Chaplins „Der große Diktator“ schuf Ernst Lubitsch 1942 im amerikanischen Exil den Hollywood-Film „Sein oder Nichtsein“, den Nick Whitby zu einem schwachen Theaterstück umarbeitete. Doch die mit einigen Preisen ausgezeichnete Nachwuchsregisseurin Mina Salehpour hat diese harmlose Darstellung der Banalität des Bösen im Volkstheater zu einer Trashcomedy mit gallig-bitteren Untertönen aufgepeppt.

Witzfiguren sind sie alle, die ebenso naiven wie gefährlichen SS- und Gestapo-Spießer, die in ihren Allmachtsträumen gefangen sind. Aber auch die Schauspieler bekommen ihr Fett ab, die sich ihren Illusionen von der Freiheit der Kunst in einer Diktatur und ihren Eitelkeiten voll hingeben. Die Nazis wollen sie mit den Mitteln der Schauspielkunst übertölpeln. Da kippt das ernste Thema sehr schnell in langatmige Trivialitäten und teils unsäglichen Mumpitz um.

Wenigstens versuchte die 30-jährige, in Teheran geborene Regisseurin all die platten Witze und albernen Nazi-Parodien durch eine Gratwanderung zwischen Komödie und ernsthafter Sezierung der Angst und Furcht der polnischen Theatertruppe zu mildern, was das Premierenpublikum mit langem bis jubelndem Beifall ebenso quittierte wie die große Wandlungsfähigkeit der Schauspieler. Allen voran Pascal Fligg als Josef Tuna, der als Edelmime nicht nur die tumben Nazis trickreich gegeneinander ausspielt, sondern auch den Hamlet-Monolog „Sein oder Nichtsein“ in köstlicher Schmierentheater-Manier zu Gehör bringt. Ihm zur Seite Tunas Gattin Maria als eine in die Jahre gekommene Femme fatale (Maria Widmann), die von einem Strizzi-Leutnant und späteren Kopf der Warschauer Widerstandsbewegung (Jonathan Müller) bezirzt wird. Als lächerliche Knallchargen brüllen und tölpeln die Nazi-Figuren (Christoph Müller und Jakob Geßner) samt geschniegeltem Hitler-Double (Leon Pfannenmüller) über die Bühne, während Miguel Abrantes Ostrowski einen englischen Spion als mysteriösen Professor mit Sadomaso-Anwandlungen abgibt. Einzig Oliver Möllers Darstellung des verängstigten Juden, der ahnt, welches Schicksal auf ihn zukommt, geht unter die Haut.

Weitere Vorstellungen von „Sein oder Nichtsein“ am 1., 11. und 28. Oktober. Kartenbestellung für das Volkstheater München, Briennerstraße 50, unter Telefon (089) 5 23 46 55 oder Fax ( 089) 5 23 55 56.