Zwischen Selfies, "Star Wars" und dem Wandel der Zeit: Michael Mittermeier auf dem Tollwood

07.07.2017 | Stand 23.09.2023, 2:46 Uhr

München (DK) Es war ein Heimspiel für Michael Mittermeier. Auf dem Tollwood im Münchner Olympiapark trat der Comedian auf und feierte mit seinem unvergesslichen Aben. Nicht nur wegen eines Selfies.

München vor fast auf den Tag genau 30 Jahren: In der Olympiahalle spielen U2. „Mein absolutes Konzerthighlight“, adelte der Ingolstädter Konzertveranstalter Walter Haber vor ein paar Tagen auf Facebook die Band um Sänger Bono. Dass er auch Zeuge eines anderen legendären Ereignisses wurde, konnte er an diesem 21. Juli 1987 nicht wissen. Bono holte einen jungen Mann auf die Bühne. Damals noch mit strengem Pferdeschwanz, griff ein gewisser Michael Mittermeier in die Saiten seiner Gitarre.

30 Jahre später steht dieser Michael Mittermeier auf der Bühne des Tollwood-Festivals, einen Steinwurf von der Olympiahalle entfernt. Musiker ist der junge Mann von damals hauptberuflich nicht geworden. Was vielleicht gar nicht so schlecht ist. Denn Kabarett ist das, was er beherrscht. „Es ist das Einzige was ich kann“, gesteht Mittermeier. Das aber richtig gut: Die Zuschauer in der Musikarena sind begeistert.

Mittermeier gilt nicht unbedingt als Kabarettist, der das Florett zu seinem bevorzugten Werkzeug wählt. Macht aber auch nichts: Zwar benutzt er oft den Säbel, doch auch damit kann er die Themen zielgenau filetieren. Er ist Geschichten-Erzähler. Geschichten, die das Leben schreibt, Geschichten, die das Publikum zum Lachen bringen. Die jedoch manchmal, nachdem die Pointe gezündet hat, im Nachgang nachdenklich machen. Auch in Amerika hätte man die Zeichen der Zeit erkennen müssen. Donald Trump hat Präsident werden müssen. Warum? Ganz einfach: Wie Sauron aus "Herr der Ringe" hat auch Trump seine Türme.

So schickt er den Ausländerfeind Wotan mit dem ICE direkt nach Damaskus, denn dort gibt es noch viel mehr Ausländer, über die er sich aufregen kann. Sozusagen „Ein Nazi auf Dschihad“. Beim Thema Terrorismus wird Mittermeier erst und deutlich: „Wenn wir das tun, was wir normalerweise tun, haben wir verloren. Das Lachen ist das, was uns von diesen Vollidioten unterscheidet.“

Herr der Ringe, Star Wars, Raumschiff Enterprise oder die Neuverfilmung von Winnetou auf RTL. Ein cineastisches oder mediales Grundwissen sollten die Zuschauer mitbringen, um Mittermeiers Vergleiche zu verstehen. Woher sollte man sonst wissen, dass Captain Kirk in seinem Raumschiff bereits selbstschließende Türen hatte, die im neuen Berliner Flughafen bis heute noch nicht funktionieren.

30 Jahre ist der Auftritt von Mittermeier und Bono nun her. 30 Jahre, in denen sich viel verändert hat. Heute werden in eine sturmfreie Bude keine Mädchen mehr eingeladen. Die Buben zocken lieber am PC. Eigentlich gibt es keine sturmfreien Buden mehr, erfährt Mittermeier aus der ersten Reihe. Mama und Papa passen auf. Und auf Youtube sind Schminktipps der Hit, obwohl früher nicht mal der Opa der Oma beim Schminken für den sonntäglichen Kirchgang zuschauen durfte. Seinen persönliche Veränderung vom Jung-Zwanziger zum Neu-50-ziger nimmt Mittermeier mit dem ihm eigenen Humor und spart in seinen Geschichten nicht mit Selbstironie.

Vor 30 Jahren gab es auch noch keine Selfies und niemand musst die Arme ausrenken, damit alle Köpfe auf das Bild kommen. "Ich hoffe ja, dass die Selfie-Sterblichkeitsrate weiter steigt", schimpft Mittermeier über den Trend. Doch ganz entziehen will er sich dem Ganzen nicht, oder es ist Ironie. Er hält den Abend als Selfie fest. Das hat er auch verdient. Im Gedächtnis bleibt er sowieso.

Bernd Limmer