München
Tarnung, Fakten, Fiktionen

Informative Ausstellung über Propaganda im Münchner Kunstbau

09.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:40 Uhr

Coco Fuscos Performance "Ein eigenes Zimmer: Frauen und Macht im Neuen Amerika" ist in der Schau "After the fact - Propaganda im 21. Jahrhundert" zu sehen. - Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2017

München (DK) "Wir wollen Ausstellungen machen, von denen wir nicht wissen, wie man sie macht!" Das Credo von Matthias Mühling, Direktor des Lenbachhauses, zitiert Stephanie Weber, Kuratorin der Ausstellung "After the fact - Propaganda im 21. Jahrhundert", die im Münchner Kunstbau gezeigt wird.

Und tatsächlich ist schwer vorstellbar, wie das Thema "post-faktisches Zeitalter" in eine Kunst-Schau umsetzbar ist. Das geht nur, wenn man den Begriff "Kunst" besonders weit fasst beziehungsweise hinterfragt, ob Kunst in jedem Fall hohe ästhetische Kriterien erfüllen muss.

Der lang gestreckte Raum im Zwischengeschoss der U-Bahn-Haltestelle Königsplatz ist durch textile Wände in Kojen untergliedert, und diese beherbergen "Inseln" der Information, mit Video-Beiträgen, Fotos und Texten. Dazwischen werden Beiträge von 25 Künstlerinnen und Künstlern präsentiert - von der Installation eines Fernseh-Rate-Quiz' bis zur Lautsprecher-Durchsage.

Gerade der Schall aus vier Lautsprecher-Trichtern am Eingang der Schau schlägt eine Brücke vom 20. ins 21. Jahrhundert in Sachen Propaganda: Zu hören ist die Stimme der Künstlerin Renate Engl, die eine Rede von Rosa Luxemburg verliest. In die Gegenwart geholt wird der Text durch geringfügige Änderungen - zum Beispiel wird das Wort "Proletarier" durch "Künstler" ersetzt, "Kapitalisten" durch "Galeristen" - und schon bekommt die Rede von 1913 eine eigene Brisanz, gewürzt mit Ironie.

Sarkastisch ist der Beitrag von Wolfram Kastner zum Thema "Schöner Wohnen": Eine Wohnzimmer-Ecke mit Fernseher und Pantoffeln, Tisch und Wandbild, und alles ist überzogen von einem olivbraunen Tarn-Muster, selbst das Frühstücksei und das Spielzeug-Auto sind so bemalt. Die Mode des Camouflage-Drucks wird hier auf die Spitze getrieben. Wer so wohnen will, der fühlt sich womöglich als Soldat in einem allumfassenden Krieg.

Krieg ist auch das Thema von Hans-Peter Feldmann: In bewährter Weise hat dieser Chronist unserer Tage die Titelseiten vom 12. September 2001 gerahmt und an die Wand gehängt. Vom "Bild"-Titel "Großer Gott steh uns bei!" bis zur Frage des "Daily Star" "Ist das das Ende der Welt" reicht die Palette an Schlagzeilen, die erklären wollen, was viele als den Beginn des Dritten Weltkrieges lesen. Auch hier wird deutlich: Die Auswahl von Nachrichten und ihre Interpretation erfolgen nach subjektiven Kriterien.

Dass die Spirale der Gewalt sich weltweit immer weiter dreht, verdeutlich eine Art Maibaum von Nancy Spero: Bunte Bänder sind an einen Stamm gebunden, aber keine fröhlich Tanzenden ergreifen sie, sondern ausgeschnittene Grafiken von abgeschlagenen Köpfen hängen an ihrem Ende.

Die Ausstellung verlangt dem Besucher viel Zeit und Aufmerksamkeit ab. Hörinseln, Videos, Texte bieten eine Fülle an Material. Auch der Verweis auf Reality-TV darf nicht fehlen mit seinem Vorgaukeln "echter" Emotionen von Menschen "wie du und ich". Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sind porös, und Propaganda findet nicht nur in totalitären Staaten statt, vielmehr hat der Kapitalismus eigene, subtilere Methoden der Beeinflussung erfunden. Dennoch bleibt die Frage, ob das Thema in einer Kunst-Ausstellung dargestellt werden kann, oder ob es erst in Führungen, Workshops und Veranstaltungen des Begleitprogramms wirklich durchleuchtet wird.

Kunstbau: bis 17. September, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, dienstags bis 20 Uhr. Infos auch zum Begleitprogramm unter www.lenbachhaus.de" class="more"%>.