München
Sehgewohnheiten auf den Kopf gestellt

Die Münchner Villa Stuck präsentiert Arbeiten junger preisgekrönter Fotografen

22.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:47 Uhr

 

München (DK) „Gute Aussichten“ verspricht eine Foto-Ausstellung, die junge deutsche Fotografie in der Villa Stuck zeigt. Vorgestellt werden die Gewinner eines Wettbewerbs an deutschen Hochschulen und Akademien. Die Jury hat aus hundert vorgeschlagenen Arbeiten sechs Frauen und drei Männer als Preisträger ermittelt und präsentiert nun in einer Wanderausstellung Arbeiten, die „Sehgewohnheiten auf den Kopf stellen“.

Auffällig ist eine Entgrenzung des Mediums, denn nicht alle Beiträge zeigen Fotos im herkömmlichen Sinn. So fertigte Marian Luft unter anderem eine Installation aus digital bedrucktem Linoleum, Alwin Lay baute eine im Kaffee ertrunkene Espresso-Maschine und Daniel Stubenvoll erarbeitete Collagen aus Werken seiner Studienkollegen. Die Nähe zur Farbfeld-Malerei suchen die Fotos von Betonwänden, die Christina Werner im Westen Indiens an einem architektonisch gestalteten Flussufer aufnahm. Den Weg in die Abstraktion beschreitet hingegen Anna Domnick mit ihren Landschaftsbildern. Die Beispiele verdeutlichen, dass es vielen jungen Fotografen offensichtlich darum geht, Erwartungen nicht zu erfüllen und Klischees links liegen zu lassen.

Weniger hermetisch sind jene Fotoserien, die sich journalistisch mit bestimmten Bevölkerungsgruppen auseinandersetzen. Stephanie Steinkopf hat sich in ihrer Heimat im Oder-Bruch mit den Bewohnern von zwei Wohnblöcken beschäftigt. Die Einheimischen nennen die Behausungen „Manhattan“, die dort lebenden Menschen sind Langzeit-Arbeitslose und waren erst nach langen Vorgesprächen bereit, ihren Alltag fotografieren zu lassen. Entstanden ist ein eindrückliches Dokument zur Armut in Deutschland, und ganz ähnlich sind die Serien von Lioba Keuck und Birte Kaufmann. Keuck fotografierte am Rande Lissabons Menschen aus den ehemaligen Kolonien, die zwischen modernen Wohnblöcken Gemüsegärten anlegen, die von der Stadt dann zu Parkanlagen für Jogger umgewandelt werden. Kaufmann suchte den Kontakt zu den „Travellers“ in Irland, eine Gruppe von Landfahrern, die früher ein Auskommen als Kesselflicker und Pferdezüchter hatten und nun von der Sozialhilfe leben, allerdings vermissen sie konkrete Arbeits- und Lebensaufgaben.

In allen drei Fällen mussten die Fotografinnen mit Geduld und Einfühlungsvermögen versuchen, die Grenzen einer geschlossenen Gesellschaft zu überwinden und Misstrauen gegenüber Fremden auszuräumen. Die gezeigten Arbeiten überzeugen durch Aufnahmen, die nicht gestellt sind, sondern unmittelbar Einblick gewähren in fremde Lebenswelten, die gerade keine „guten Aussichten“ haben.

Eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild der Hysterie versuchte Nadja Bournonville. Ihr Porträt-Foto einer Frau, die einen Mundschutz als Augenbinde trägt, ist mit Ironie zum Plakatmotiv gekürt worden für die facettenreiche Ausstellung „Gute Aussichten“.

Bis zum 9. Juni in der Villa Stuck, Prinzregentenstraße 60, geöffnet täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, am ersten Freitag des Monats bis 22 Uhr.