München
Revolutionär und Ministerpräsident

Das Münchner Stadtmuseum erinnert an Kurt Eisner

17.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:07 Uhr

Erster Ministerpräsident Bayerns: Kurt Eisner. - Foto: Stadtmuseum

München (DK) Das Gedenken an die Revolution in Bayern hat das Münchner Stadtmuseum um ein Jahr vorgezogen: Die Ausstellung "Revolutionär und Ministerpräsident - Kurt Eisner" will vor allem ihren Protagonisten "davon befreien, dass er nur hundert Tage alt wird", so Kuratorin Ingrid Scherf.

Sie war Geschäftsführerin der Schwabinger "Basis-Buchhandlung", wo Marx und Engels immer vorrätig waren, und möchte jetzt ein "Angebot des Wortes machen", indem sie die Ausstellung "an die Wand plakatiert". Schließlich, so Scherf, "war Eisner ein Mann des Wortes".

Nur so ist zu verstehen, warum der Besucher von Texten bestürmt wird, die als Zettel und Buchseiten, als Zitate und Plakate, als Aushänge und Typoskripte die Wände bedecken. Denn der vor 150 Jahren geborene Eisner arbeitete beruflich nicht nur als Journalist bei der "Hessischen Landeszeitung", bei der "Fränkischen Tagespost" und beim "Vorwärts", er war auch Herausgeber des "Arbeiter-Feuilletons". Eine alte Schreibmaschine mit eingespanntem Papier erinnert an diese Tätigkeit, einige wenige Familienfotos sind Dokumente seines Lebens. Aber Film- und Tondokumente gibt es offensichtlich nicht von ihm.

So bleibt als Dokument das Foto eines Herrn in dunklem Anzug, Krawatte und weißem Hemd, den Hut auf dem Kopf, die Brille auf der Nase, ein ernster Mund über dem Spitzbart. Der Revolutionär, der 1918 auf Kundgebungen für Frieden und revolutionären Umbruch warb, wäre heute ein feiner, etwas altmodischer Herr. Damals war er ein Intellektueller, der seinen Geist an Immanuel Kant schulte und der als Adressat seines Denkens den Arbeiter, den Mann auf der Straße suchte. Seine Idee war, "die Massen zu organisieren, sie zu bestimmten Gedanken zu erziehen . . . und eine in gesetzlichen Bahnen sich bewegende, geordnete Welt zu schaffen." Sein Ziel ist die "Revolutionierung der Köpfe" - und dies in einer Zeit, die vom Ersten Weltkrieg, von unsicherer Finanzlage, von Arbeitslosigkeit und Demonstrationen geprägt war.

Es brodelte damals in Deutschland - und dieses Brodeln wird leider nur auf Papier vermittelt. Sie ist eine Lese-Ausstellung, diese Eisner-Schau. Einige Hörstationen vermitteln Texte von Erich Mühsam oder Oskar Maria Graf, ein Filmausschnitt zeigt Kundgebungen auf Münchner Straßen, ein Zeichner hielt mit Bleistift Szenen fest und hob mit rotem Stift die Armbinden hervor. "Die Revolution kam aus dem Wirtshaus", kommentiert die Ausstellungskuratorin eine Münchner Landkarte, auf der auch die Schwabinger Brauerei in der Leopoldstraße 82 verzeichnet ist. Hier wurde am 31. Januar 1918 ein Manifest verabschiedet, das forderte, "dem Kriege des Wahnsinns und der Wahnsinnigen sofort ein Ende zu bereiten", unterschrieben im Auftrag: Kurt Eisner.

Im gleichen Monat streikten die Arbeiter der Münchner Rüstungsbetriebe, Eisner wurde als Streikführer verhaftet, kam aber im Oktober als Spitzenkandidat der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands frei und propagierte am 7. November 1918 vor 60 000 Menschen auf der Theresienwiese die Gründung der Bayerischen Republik. Er wird erster Ministerpräsident Bayerns mit 105 Tagen Amtszeit. Am 21. Februar 1919 wird er erschossen - der Attentäter, Anton Graf von Arco, gehörte zur nationalistischen, antisemitischen "Thule-Gesellschaft". Der Ort in der Kardinal-Faulhaber-Straße, nahe dem Bayerischen Hof, ist heute durch ein Bodendenkmal markiert.

All dies lässt sich bequem in einer der zahlreichen Biografien nachlesen - und jetzt eben auch auf den Wänden dieser Ausstellung. Anschaulich wird die bewegte Zeit im Begleitprogramm: Das Münchner Filmmuseum zeigt am 16. und 17. Mai jeweils um 18.30 Uhr den Zweiteiler "Die Münchner Räterepublik" unter der Regie von Helmuth Ashley.

Bis 8. Oktober im Münchner Stadtmuseum, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr.