München
Münchner Musikleben bedroht

Neue Konzertsaal-Studie belegt: Sanierung des Gasteigs reicht nicht aus

26.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:36 Uhr

München (DK) Der Schlagabtausch in der Münchner Konzertsaal-Frage geht in eine weitere Runde. Jetzt hat der Bayerische Rundfunk (BR) gekontert – mit einer neuen Studie, die gestern vorgestellt wurde. In ihr hat das Unternehmen Karsten Witt Musik Management aus Berlin die jetzige Entscheidung der bayerischen Staatsregierung unter die Lupe genommen, den Gasteig zu sanieren und den Herkulessaal zu modernisieren.

Künftig sollen beide Säle gleichberechtigt bespielt werden von den BR-Symphonikern und den Münchner Philharmonikern. Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: Diese Doppelbelegung werde nicht aufgehen, weil schon jetzt die Platzkapazitäten nicht ausreichten. Zudem sei der Herkulessaal für große Symphonik zu klein. Neu ist diese Argumentation nicht. Tatsächlich stützt sich diese Studie auch auf ältere Gutachten aus den Jahren 2010 und 2014.

Demnach seien der Gasteig und der Herkulessaal in der Kernsaison, also von Oktober bis Mai, schon jetzt vollständig ausgebucht. Es gebe keine Kapazitätsreserven mehr, auch freie Veranstalter nutzten bereits „alle sich bietenden Möglichkeiten“. Sämtliche Veranstalter hätten gewaltige Besucherzuwächse erzielt, was ebenfalls hinlänglich bekannt ist. Die Münchner Orchester sind in der Luxussituation, weitere Aboreihen auflegen zu können – wenn sie denn die Kapazitäten hätten.

Vom viel beschworenen Wegbrechen des Klassik-Publikums ist in München nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die Philharmonie im Gasteig zählt laut Studie schon jetzt international zu den besonders stark ausgelasteten Konzertsälen. Doch obwohl München mit Wien zu den unbestrittenen Hauptmetropolen der Klassik-Welt zählt, gebe es in Städten mit vergleichbarer Größe für groß besetzte Orchestermusik mehr Spielorte, so Witt.

Nur in Mailand, Prag und Warschau sei die Situation ähnlich dürftig wie in München. Witt muss es wissen, denn: Bei zahlreichen Renovierungs- und Neubauprojekten von Konzertsälen ist der frühere Intendant des Wiener Konzerthauses und des Londoner „Southbank Centre“ ein gern gesehener Berater. Umso erstaunlicher ist es, dass Witt weniger Probleme mit der Gasteig-Akustik hat. Diese könne „zu überschaubaren Kosten“ optimiert werden, obwohl gerade dies von renommierten Akustikern wie Karlheinz Müller von „Müller-BBM“ aus Planegg bei München bezweifelt wird. Umso kritischer sieht Witt die Zeit, wenn die Gasteig-Philharmonie ab 2020 für die Generalsanierung komplett geschlossen wird. Dies bedeute „unkalkulierbare technische und finanzielle Risiken“. Noch dazu würde München ein „stark nachgefragter Veranstaltungsraum“ fehlen.

Ohne eine angemessene neue Ersatzspielstätte drohe dem Musikleben Münchens ein immenser Schaden, so Witt. Ein solches Provisorium könnte rund 80 Millionen Euro kosten – viel Geld, das besser in einem neuen Konzertsaal investiert sei. Interessant wird die Studie, wenn neue Konzepte zur Nutzung der Säle vorgeschlagen werden. So würde sich ein modernisierter Herkulessaal bestens eignen für Alte Musik, Streichorchester, Kammer- und Chormusik oder auch Laienensembles, von denen es in München zahllose gibt.

Andererseits vermisst Witt zurecht in München einen Saal, der sich auch für große multimediale Projekte eignete. Wie ein neuer Konzertsaal finanziert werden soll? Durch eine Fundraising-Kampagne, die schnell starten müsse. Diese Empfehlung ist eine kräftige Watschen für die Konzertsaal-Fans, denn: Statt über Jahre hinweg unzählige Standorte für den neuen Saal zu verheizen, wäre es sinnvoller gewesen, starke Geldgeber hinter sich zu versammeln. Das wurde in München sträflich verschlafen, auch beim BR.