München
Mode und soziale Chiffren

Sonderausstellung "Divine x Design. Das Kleid in der Antike" in der Glyptothek München schlägt die Brücke zum Heute

01.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:33 Uhr

Foto: DK

München (DK) Iris, die griechische Göttin des Regenbogens, breitet ihre Flügel aus. Sie hat die Kanne dabei, mit der sie aus dem mythischen Fluss Styx Wasser schöpft, das meineidige Götter in Bewusstlosigkeit fallen lässt. Auch der Kerykeion, der Stab, weist sie als Götterbotin aus. Iris ist auf einer attischen, rotfigurigen Hydria (Wasserkrug) abgebildet, die aus dem Depot der Antikensammlung in die Sonderausstellung "Divine x Design. Das Kleid der Antike" in die Glyptothek am Münchner Königsplatz gebracht wurde. Im Dialog dazu breitet ein Model auf der Modefotografie ebenfalls weiße Flügel aus. Das Kleid, ein Entwurf der Modestudierenden Maria Luisa Kargl, hängt schlicht an der Wand.

Dieser Dreiklang aus antikem Objekt, modernem Mode-Entwurf und Fotografie durchzieht die Sonderausstellung und soll dazu anregen, über die Bekleidung im antiken Griechenland ebenso wie über Mode und Design heute und unser Verhältnis dazu nachzudenken. Auch darüber, wie stilbildend die Antike heute sein kann.

Antworten geben Studierende und Lehrpersonal der AMD-Akademie Mode & Design München, die sich mit antiken Mythen, mit Geschichtsschreibung und wissenschaftlichen Erkenntnissen beschäftigt haben. Sie haben den Faltenwurf antiker Kleidung ebenso aufgenommen wie Muster, die abgebildet sind auf Vasen, Krügen und Tellern oder auf Zeichnungen von Archäologen. So hat Laura Moesmang den durchtrainierten Körper eines antiken Torsos (Mythos der Atalante, Diadumenos) übertragen auf ein modernes Sportoberteil. Mit Trikotware und Leder gearbeitet, gleicht es einem Harnisch. Unwillkürlich entsteht so die Frage, ob wir Heutigen mit unserem Körperkult tatsächlich mehr als 2500 Jahre entfernt sind vom Ideal des perfekten Körpers eines antiken Sportlers, Kämpfers oder Heroen.

Die Objektlegenden, die Modeentwürfe sowie die Modefotografie schlagen die Brücke, erzählen davon, wie modebewusst die Menschen in der Antike waren, wie zudem ihre Kleidung, ihr Schmuck, ihre Haartracht, ihre Schuhe oder ihr Werkzeug den sozialen und politischen Stand widerspiegelten. Auch das Material gibt Auskunft: Ist es die gängige Wolle, womöglich selbst gesponnen und später am Webstuhl zu Tuchen verarbeitet, oder Leinen oder die exotischere Seide? Sind die Stoffe gemustert oder einfarbig, bestickt oder von Goldfäden durchwirkt? Das hat selbst im kleinsten Detail nicht nur etwas mit Geschmack zu tun oder mit Praktikabilität im Alltag. Hier verbergen sich Codes und Chiffren, die von Künstlern und Kunsthandwerkern bewusst eingesetzt wurden.

So sind auf der Grabstele der Mnesarete die Welten des Todes, des Hades, und des Lebens über den Stoff verbunden. Dieser fällt, fließt dergestalt, dass die tote Herrin Mnesarete mit ihrer trauernden Dienerin eins zu werden scheint und dabei soziale Schranken überwunden werden. Die Vergegenwärtigung des Todes am lebenden Körper setzt Bernadett Baricca mit einem schwarzen Trauerschleier und mit fließendem Stofffall um.

Im Fließenden, im Fallenden oder Gehaltenen liegt der Unterschied schlechthin zwischen antiker Kleidung und dem, was heute getragen wird. Stoffbahnen wurden einst zu Peplos (zum Überwurf gefaltetes Tuch), zum Chiton (Unterkleid) oder Himation (eine Art Mantel) genäht, gegürtet, geknöpft, geschnürt oder drapiert. Während heute kaum mehr ein Kleidungsstück ohne Schnittmuster denkbar ist. Oder in Zukunft vielleicht doch? In der Ausstellung ist wunderbar zu erleben, wie inspirierend die Antike ist. Wer würde nicht gern das Kleid der Iris mit der raffinierten Schnürung im Rückenteil tragen . . .

Die Ausstellung in der Glyptothek München ist noch bis 8. Oktober täglich außer Montag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Katalog ist im Nünnerich-Asmus-Verlag erschienen (192 Seiten, 16 Euro).