München
"Man kann überall Theater spielen"

Nach über fünf Sanierungsjahren öffnet das Münchner Gärtnerplatztheater wieder seine Tore Interview mit Intendant Josef Köpplinger

18.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:28 Uhr

Foto: DK

München (DK) Er ist Theaterdirektor auf einer Baustelle - damit musste Josef Köpplinger bisher seit seinem Start in München im Jahr 2012 leben. Die Suche und das Einrichten von Ausweichspielstätten, die unerwartete Verlängerung der Bauzeit, Fahrten quer durch das Stadtgebiet und das Spielen "en suite", also in Blöcken statt in einem gut durchmischten Spielplan, kennzeichneten die vergangenen Jahre. Nach der Spielplanpause steht nun die Wiedereröffnung des ehrwürdigen Theaterbaus des Architekten Franz Michael Reiffenstuel aus dem Jahre 1865 an, das nicht nur in neuer Schönheit erstrahlt, sondern in vieler Hinsicht den Anforderungen an zeitgemäße Theaterarbeit angepasst wurde: Mehr Probenräume, verbesserte Zugänglichkeit der Bühne und die Erfüllung von feuerpolizeilichen Anforderungen sind nur drei nun abgehakte Punkte auf der Wunschliste.

Herr Köpplinger, Sie sind gleich als Baustellen-Chef eingestiegen, war das besonders schwer oder besonders spannend?

Josef Köpplinger: Es war sogar höchst spannend! Aber ohne die unglaubliche Energie, die meine Mitarbeiter aufgebracht hatten, wäre das nicht gegangen. Ich habe alle auch immer wieder gebeten, nicht zu klagen - wir bekommen ja jetzt auch etwas unglaublich Schönes, eines der schönsten Häuser Europas.

 

Die Baudauer hat sich ja dann immer wieder verzögert ...

Köpplinger: Das wird vielleicht auch alles hochgespielt, ich habe mein Großelternhaus renoviert, mir war von Anfang an klar, dass diese Baustelle nicht einfach werden würde! Wenn man klug ist und eine tolle Betriebsdirektorin hat, dann hat man also besser einen Plan B, und dann noch C und D - bei H oder J haben wir dann ja auch immer zugeschlagen.

 

Sie haben viele neue Spielstätten wie Reithalle, Prinzregententheater oder die Kongresshalle bespielt und damit Konzeptionen umsetzen können, die den Guckkasten überfordert hätten. Wird das Heimkehren in das Haus da für Sie ein weinendes Auge bedeuten?

Köpplinger: Man kann überall Theater spielen, notfalls unter einem Baum auf vier Quadratmetern, aber mein Anspruch war, dass wir uns als Staatsopernhaus treu bleiben. Übrigens ist das lustig, erst fragte man mich immer: "Wie wollt ihr denn spielen, wenn ihr keinen Guckkasten mehr habt" und jetzt geht das Ganze rückwärts. Einfach abwarten und sich überraschen lassen! Die meisten Stücke können wir gut wieder ins Haus transferieren, ich werde jetzt nicht alles wegwerfen, was die letzten Jahre erarbeitet wurde. Wir haben im Moment einen Abonnementzuwachs von über 70 Prozent von diesem Jahr zum nächsten, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

 

Das Haus steht unter Denkmalschutz und ist als Bau nicht ganz ohne, wenn ich beispielsweise an die Geschichte des Hauses bis hin zu Auftritten im KZ und Hitler in der "Führerloge" denke.

Köpplinger: Der in der Führerloge, das war der Eine - aber die Verbrecher saßen ja auch auf den anderen Plätzen. Ich finde den Gedanken wichtiger, dass gerade heute ein Theater, auch ein Unterhaltungstheater, die Aufgabe hat, Europa den Spiegel vorzuhalten in gewissen aktuellen Tendenzen.

 

Sie haben gegenüber Ihren Vorgängern viel mehr Musical und Operette im Programm, also die sichere Bank, weniger Risiko ...

Köpplinger: Im Gegenteil, wir haben uns als Uraufführungstheater platziert. Die Balance ist bei uns ähnlich wie früher im Haus, etwas mehr als die Hälfte Oper, die restlichen 40 Prozent teilen sich Musical, Operette und Tanz. Wir hatten nur während des Umbaus schlicht manchmal nicht die Häuser zur Verfügung, in denen man Oper adäquat hätte spielen können! Aber wir sind sogar stolz darauf, dass wir mehr Operette spielen, und sie gut besucht ist. Dieses Genre ist auf keinen Fall tot, und es kommen viele junge Leute. Mich hat nie interessiert, ob Operette konventionell ist, nur weil etwas anders ist, ist es ja nicht besser.

 

War es durch die verschiedenen Orte und das En-suite-Spielen, welches in der Bauzeit notwendig war, nicht schwierig, das teilweise von Ihnen neu zusammengestellte Ensemble zu einer Einheit zu formen?

Köpplinger: Wir haben hier Leute ins Ensemble bekommen, die eigentlich hier nicht fest engagiert wären. Um nur einige zu nennen: Sänger von einer Qualität einer Jennifer O'Loughlin, einer Camille Schnoor, einem Mathias Hausmann, einem Levente Páll, den Lucian Krasznec und so weiter, ich müsste jetzt noch so viele nennen, wenn man die an einem Haus hat, das freut mich. Die sind bei mir, weil sie sich hier wohlfühlen, aber die könnten an jedem großen Opernhaus bestehen.

 

Österreich beherrscht das Münchner Kulturleben. Sie sind Niederösterreicher, Nikolaus Bachler kommt aus der Steiermark, Martin Kusej aus Kärnten - was haben die Österreicher eigentlich so Besonderes?

Köpplinger: Das ist Zufall, es ist irrelevant woher jemand kommt. Aber es kommt darauf an, wie man arbeitet, und vielleicht ist München auch einfach Wien sehr ähnlich. Der Anspruch des Publikums an das Theater ist hier auch einfach anders als beispielsweise in Berlin.

 

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie am Gärtnerplatz arbeiten werden?

Köpplinger: Dass ich nicht mehr 40 Minuten zu einem Probenraum fahren muss und dann zum nächsten Termin wieder eine halbe Stunde! Aber es werden andere Herausforderungen kommen, wir sind mutig vom Optimum ausgegangen mit unserer Spielplangestaltung, das wird man alles erst mal ausprobieren müssen. Ausruhen wird man sich sicher nicht können. Aber ich habe sozusagen meine Familie wieder unter einem Dach, und ich freue mich darauf, wenn der neue Wagner-Vorhang das erste Mal aufgeht.

 

Das Interview führte Sabine Busch-Frank.

 

 

ZUR PERSON

Josef E. Köpplinger wurde 1964 in Niederösterreich geboren. Er studierte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien und besuchte Seminare in New York und London. Sein erstes Festengagement hatte er in Regensburg. Danach führte ihn seine Regiekarriere von Wien über Deutschland in die Schweiz, nach Frankreich, England, Amerika und Japan. Sein Repertoire umfasst alle Sparten von Schauspiel über Oper bis zu Operette und Musical. Von 2004 bis 2007 war er Schauspieldirektor am Theater in St. Gallen, von 2007 bis 2012 Intendant des Stadttheaters Klagenfurt. Anschließend übernahm er die Intendanz des Münchner Gärtnerplatztheaters.