München
"Hier stehe ich und kann nicht anders"

27.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:17 Uhr

"Zwischen Himmel und Hölle" erzählt, wie die 95 Thesen auch dank des Buchdrucks ein politisches Beben auslösen. Die Kirche schlägt zurück und exkommuniziert den Wortführer Martin Luther (Maximilian Brückner). - Foto: Brackmann/ZDF

München (DK) In "Männer wie wir" spielte er einen Fußballer, in "Hindafing" einen korrupten Bürgermeister. Er war der Räuber Kneißl und "Tatort"-Kommissar Franz Kappl. Jetzt verkörpert Maximilian Brückner den Mann, der 1517 die Welt auf den Kopf stellte: Martin Luther. Ein Gespräch.

Weit herumgekommen ist Maximilian Brückner (38) in seinem vielseitigen Beruf als Schauspieler. Dennoch engagiert er sich im Chiemgau im Mehrgenerationenprojekt seiner Familie, einem Hof mit Familien-WG und Trachten-Manufaktur und findet auch noch Zeit, Surfer-Fotos vom Eisbach zu posten. Der an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule ausgebildete Schauspieler gibt sich gleichzeitig offen und zurückhaltend - denn wenn es ihm zu privat wird, dann sind ganz schnell die Schotten dicht. Umso lieber spricht er, derzeit schon wieder in Berlin an neuen Projekten arbeitend, über das "Luther"-Fernsehspiel "Zwischen Himmel und Hölle", das im ZDF am Reformationstag läuft.

 

Herr Brückner, Luther überall - was haben Sie alles an Veranstaltungen, Veröffentlichungen und Events abgehakt zum Luther-Jahr?

Maximilian Brückner: Diesmal hatte ich ein zeitliches Problem, ich hatte nur wenige Tage zwischen dem Projekt zuvor und dem Luther-Film. Aber grundsätzlich bezeichne ich immer das Drehbuch als meine Bibel und versuche mich nicht von allem anderen beeinflussen zu lassen. Ich habe also das Textbuch gut gelesen und versucht, die Zeit zu erfassen.

 

Sie sind katholisch, nehme ich an - was bedeutet der Reformator Ihnen persönlich?

Brückner: Ja, ich bin katholisch und Luther bedeutet mir mehr, also ich gedacht hätte, weil mir bis dahin nicht klar war, wie stark er unsere Sprache geprägt hat. Luthers Deutsch war Poesie, einfach wunderschön. Ganz abgesehen davon, was sich jeder persönlich rausnimmt aus Luthers Schriften, hat er uns diese Sprache gegeben.

 

Eine erstaunliche Besetzung immerhin. Sie werden ja hierzulande eher als Vorzeigebayer wahrgenommen ...

Brückner: Da ist wirklich die Wahrnehmung verquer, schon seit Jahren spiele ich eigentlich nur noch hochdeutsch, und ich versuche ja auch, bevorzugt anders besetzt zu werden.

 

Was hat Sie dazu bewogen, das Projekt anzunehmen?

Brückner: Ich fand einfach das Buch interessant, und beim Casting hat sich dann schnell abgezeichnet, dass das klappen kann, aber ich hatte dann eher den Gedanken: "Und jetzt" Aber dann fängt man eben an zu arbeiten.

 

Es gibt mit Anna Schudt, Johanna Gastdorf, Joachim Krol, Christoph Maria Herbst, Armin Rohde neben Ihnen eine ganze Reihe anderer bekannter Fernsehgesichter in den Rollen - kommt man sich denn in der starken Kostümierung des Historienfilms nicht manchmal ein bisschen vor wie auf einem Faschingsfest?

Brückner: Wenn Sie die Kollegen spielen sehen, dann erübrigt sich der Eindruck, den man bei den Filmfotos vielleicht bekommen kann. Die Kostüme helfen, in die Zeit einzutauchen, wir haben ja auch im Film versucht, eine andere Sprache zu finden als die heutige. Schwerer ist, dass wir heute einen anderen Blick auf das Leben haben. Neulich sagte mir jemand: "Der Film ist so brutal!", tatsächlich sind aber einfach die Zeiten schwer zusammenzubringen. Zum Beispiel, dass ein Menschenleben zu der Zeit einfach nichts wert ist, das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Gerade bei Luther ist es die Geschichte der Sieger, die wir kennen. Wir sehen das ja normalerweise einseitig. So war uns bei dem Film extrem wichtig, die Geschichte seines Gefährten Thomas Müntzer zu erzählen, der in der Historie fast getilgt wurde. Luther hat ja selbst sehr stark an seinem Mythos mitgebaut, beispielsweise mit dem Gelübde bei Blitz und Donnerschlag.

 

Abschätzig bezeichnet man ja Historienfilme auch mal als "Schinken", der Cast nennt allein sieben historische Berater. Welche Rolle haben für Sie die Ausstattung, das Authentische von Raum, Kostüm und Schmutz gespielt?

Brückner: Ich hatte tatsächlich erst Angst, das es ein verstaubter Kostümfilm mit bekannten Gesichtern wird, aber ich habe ihn das erste Mal fertig gesehen und - das passiert mir sonst fast nie - bin total eingetaucht. Der Film hat einen Zug, da passiert was. Meine Erinnerung an die Entstehung ist hinter diesem Eindruck als Zuschauer völlig zurückgetreten. Die Kollegen spielen auch einfach grandios.

 

Hauptsächlich haben Sie den Film in Tschechien gedreht, nicht in Sachsen-Anhalt oder Thüringen, wie man hätte erwarten können. Ein Berater des Filmes sprach in diesem Kontext von der "inneren Stimmigkeit".

Brückner: Ja, und diese prägt einen auch als Schauspieler, es ist einfach etwas anderes, ob man im Studio oder vor irgendwelchen Barrikaden spielt, oder ob die Stadt dreidimensional ist. Wir haben in Prag und in der Nähe der Stadt gespielt, und man taucht in so eine originale Kulisse ganz anders ein. Auch die Kostüme: Die Kutte bestand aus einem Unterhemd und diesem Gewand, darunter ist einem wirklich kalt. Ich mochte die Kutte, wirklich! Man kann die Ärmel und die Kapuze zum Wärmen benutzen, das ist effektiv und uneitel, so eine Kutte ist schon sehr besonders, fast mystisch als Kleidungsstück.

 

Wie bereiten Sie sich grundsätzlich auf eine historische Rolle vor, Sie waren ja auch schon der Willi Graf im Sophie-Scholl-Film oder der Räuber Kneißl, aber so eine stark prägende und in vielen Dokumenten der Nachwelt erhaltene Figur wie Luther ist da noch mal ein ganz anderes Kaliber, oder?

Brückner: Auf jeden Fall. Gleich am zweiten Tag haben wir den Reichstag gedreht, bei anderen Rollen gibt es ja keinen Vergleich, aber hier hat man einfach Bilder im Kopf. Den Luther-Film mit Joseph Fiennes hatte ich vor Jahren mal gesehen, mir aber jetzt bewusst nicht noch mal angesehen. Ich wusste: Diesen Moment muss ich jetzt für mich selbst und aus der Rolle heraus gestalten. Dieses "Hier steh ich und kann nicht anders", vor hundert Leuten, mit dem Wissen, dass der Satz für Luther ein Todesurteil bedeuten kann, da macht man sich im Vorfeld schon fast in die Hose. Die tschechischen Komparsen haben natürlich nicht verstanden, was ich gesagt habe, aber als die nach der Szene kamen und mir auf die Schultern geklopft haben, wusste ich: So kann man weitermachen.

 

Wahrscheinlich ist heute für uns Luther ja vor allem aus dem historischen Moment der "Zeitenwende", an welchem er gewirkt hat, spannend.

Brückner: Die Welt öffnete sich damals mehr, wir haben heute eher die Angst, dass sie mit Gewalt wieder zugemacht wird. Zu Luthers Zeit kommen verschiedene Bausteine zusammen wie Rädchen. Da gab es Jan Hus, den Buchdruck, und man wollte unter diesen Vorzeichen keinen Märtyrer aus Luther machen. Das bedeutete für ihn eine Riesenmacht. Da sind viele Komponenten ineinander gelaufen. So neu waren seine Ideen ja eigentlich nicht, aber nur zwanzig Jahre früher wäre sein Leben völlig anders verlaufen.

 

In welchem Alter etwa endet Ihr Luther im Film - und spielt man das, was danach noch kommt unwillkürlich mit?

Brückner: Der Film hört auf, nachdem Müntzer getötet wird. Mir ging es schon vor allem um den aufrechten jungen Mann, der mit Freunden zusammen anfängt, die Welt zu verändern. Durch den Erfolg ihrer Ideen verändern sich aber auch sie alle - der eine, Müntzer, wird zum Terroristen, Luther zum Politiker und der Dritte, Bodenstein, geht zugrunde. Das ist in der Konstellation historisch oft ganz ähnlich, beispielsweise bei Fidel Castro. Ich wollte den aufrechten Menschen zeigen, der dann durch Macht und Erfolg korrumpiert wird. Am Ende steht Luther wieder zwischen zwei anderen, zwischen Fürst und Erzbischof, das ist eine Lieblingsszene von mir. Da sagt er den beiden als Vertretern der früheren Macht, wie jetzt weitergemacht wird.

 

Hätten Sie eine historische Wunschrolle?

Brückner: Nee, ehrlich gesagt kommt es mir nur aufs Buch an, wenn das überzeugend ist, interessiert mich auch die Rolle. Das Thema kann gut sein und das Buch schlecht - dann macht alles keinen Sinn mehr.

 

Das Interview führte Sabine Busch-Frank.