München
Liebesgrüße aus dem Dorfladen

Weißblaue Boulevardgaudi: "Eine ganz heiße Nummer" in der Komödie im Bayerischen Hof

12.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:15 Uhr

Mit ausgefallenen Ideen gegen die Wirtschaftskrise: Veronika von Quast, Andrea Wildner, Teresa Rizos und Saskia Vester (von links) spielen unter der Regie von Jochen Busse in der Komödie „Eine ganz heiße Nummer“. - Foto: Neumann

München (DK) Ein Erfolg kommt selten allein: zuerst ein Roman, dann ein Film (mit dem Traumgespann Gisela Schneeberger, Monika Gruber, Cleo Kretschmer und Sigi Zimmerschied) und nun Andrea Sixts „Eine ganz heiße Nummer“ in der Bearbeitung von Jochen Busse als Theaterstück in der Komödie im Bayerischen Hof – als weißblaue Boulevardgaudi zum Ablachen.

Ein intensiver Duft von Äpfeln und Deodorants, von heimischen Kartoffeln und exotischen Gewürzen, gemischt mit dem Geruch von Waschpulver und frischem Brot strömt von Thomas Peknys Bühneninstallation. Die Regale im authentischen Tante-Emma-Laden von Waltraud und Maria sind prall gefüllt mit Lebensmitteln aus Nah und Fern und all den anderen Produkten, die das Überleben im Alltag garantieren. Doch die werte Kundschaft in Mariental, einem Dorf im Bayerischen Wald, bleibt aus. Die Glashütte als größter Arbeitgeber der Gegend hat dicht gemacht und die Leute, die noch nicht abgewandert sind, kaufen lieber beim Discounter in der Kreisstadt ein. Dazu möchte die Hausbank von Waltraud und Maria nicht länger auf die Rückzahlung der Kredite warten.

Soweit, so traurig und realistisch, was die Regensburger Autorin Andrea Sixt hier eingefangen hat, bis sie ihre Ladenbesitzerinnen ein neues Geschäftsmodell entwickeln lässt, das Geld in die leere Ladenkasse spülen soll: Eine Sex-Hotline für frustrierte Ehemänner und andere Schwerenöter richten sie ein und werben dafür mit dem unschlagbaren Slogan „Das Allerbeste aus unserer Heimat.“ Die Einnahmen sprudeln nun gewaltig, wenngleich Waltraud, Maria und die Verkäuferin Lena sich erst langsam mit dem neuen Job vertraut machen müssen. Köstlich, wie gschamig die angehenden Verbalerotikerinnen zunächst die einschlägige Literatur studieren, um sich dann ebenso verstört wie kichernd in einem Sexshop zu informieren. Und wer geht beim ersten Anruf ans Telefon? Doch so frech und munter, so nonchalant und selbstironisch „Lady Sarah“, „Die heiße Maja“ und „Die süße Lolita“ schließlich ihren Job versehen, das ist Entertainment vom Feinsten.

Andrea Wildner gibt die bodenständig-resolute Sextherapeutin Waltraud ab, Saskia Vester ist die patente Hotline-Stöhnerin Maria, während Norbert Heckner als Banker und Dauertelefonkunde seinen Frust als Anlageberater kräftig auskotzt und die intrigante Bürgermeistergattin (Veronika von Quast) die Moral im Dorf untergraben sieht und damit den Untergang des ganzen Abendlandes beschwört.

Regisseur Jochen Busse lässt in dieser rasant abschnurrenden Boulevard-Gaudi kein noch so aberwitziges Klischee aus und fügte die Figur des allwissenden Erzählers noch ein. Bernd Helfrich darf mit dem knorrigen Charme des Chefs des Chiemgauer Bauerntheaters diese Rolle voll ausfüllen und dazu gleich noch den bigotten Pfarrer verkörpern. Und wenn Teresa Rizos als Jüngste bei diesem Drei-Mäderl-Hotline-Service nach Liebesknatsch mit ihrem Verlobten vom Hascherl zur Hot-Pant-Lolita mutiert und schließlich im sexy Dirndl einen Jodler schmettert, dann ist die Wiesn nicht mehr fern. Das Premierenpublikum tobte vor Begeisterung.

Bis 25. Oktober in der Münchner Komödie im Bayerischen Hof; Kartentelefon: (0 89) 29 28 10.