München
Leidenschaft für Krippen

Vom Bankier zum Sammler und Mäzen: Das Bayerische Nationalmuseum widmet Max Schmederer eine Ausstellung

21.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:11 Uhr

Großes Theater im Kleinen: Eine Fülle an Krippenfiguren sammelte Max Schmederer. Die Versicherungspolice weist 1893 unter anderem 1200 Münchner Figuren, 146 Tölzer Figuren, 10 sizilianische Gruppen und 45 Einzelfiguren aus. - Foto: Bayerisches Nationalmuseum

München (DK) Die weltweit führende Sammlung an Krippen beherbergt das Bayerische Nationalmuseum in München. Und auch wenn in der Kartause von San Martino in Neapel eine Fülle an vorzüglichen Figuren gezeigt werden - die Inszenierung der Szenen mit Mitteln der Perspektive, durch eine gekonnte Lichtregie und eine Aufstellung der Figuren im Dialog miteinander, ist in München einmalig.

Zu verdanken ist dies einem Bankier, der durch seine Lungenkrankheit einen Winter lang ans Bett gefesselt war und sich mit den Krippen "die Natur ins Zimmer holte". So erzählt es die Legende über Max Schmederer, der seine Krippensammlung 1892 dem Bayerischen Nationalmuseum übergab. An ihn erinnert jetzt eine in die Krippenausstellung integrierte Schau unter dem Titel "Herr der Krippen - Max Schmederer: Sammler, Stifter, Visionär".

Wer war dieser Herr im schwarzen Anzug, der in München, in Südtirol und in Italien Krippenfiguren von erster Qualität aufkaufte? 1854 in München geboren, war er mit 16 Jahren durch Erbschaft bereits Mitinhaber der Paulaner-Brauerei. Nach seiner Lehre im Bankgewerbe war er mehrere Jahre in London, Brüssel und Philadelphia. Und dann, im Alter von 43 Jahren, zieht er sich wegen eines Lungenleidens aus dem Geschäftsleben zurück. Seine Wohnung baut er so aus, dass er durch ein repräsentatives Treppenhaus im maurischen Stil die Besucher zu seiner Krippensammlung führen kann - nur ein kleiner Teil dient zum Wohnen, der Großteil ist Lager, Werkstatt und Ausstellungsraum. Über sein Privatleben ist wenig bekannt, zumal die noch lebenden Familienmitglieder keine Details aus dem Familienarchiv preisgeben. Verheiratet war er nie, doch eine Liaison mit der Hofschauspielerin Josephine Menge ist bekannt. Seine größte Leidenschaft aber galt den Krippen.

Als kinderloser Sammler ist ihm klar, dass seine hochkarätigen Schätze nur in einem Museum Bestand haben können. Die Stadt München lehnt eine Schenkung ab, Verhandlungen in Nürnberg und Berlin scheitern ebenfalls. Dass das Bayerische Nationalmuseum schließlich mit ihm einig wurde, stellte die Weichen für die Zukunft: Schmederer macht immer neue Reisen, spürt verschollen geglaubte Krippen auf, verhandelt und kauft mit Geschick, um im Museum immer neue Darstellungen zu inszenieren. Die Krippenausstellung, zuerst auf 500 Quadratmeter angelegt, vergrößerte sich bis 1911 auf 1400 Quadratmeter. Damals standen die Krippen noch auf dem Dachboden des Museums, man arbeitete ohne Strom und musste daher für natürlichen Lichteinfall sorgen, ohne die theatralische Wirkung zu schmälern - ein bewundernswertes Unterfangen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Sammlung im Untergeschoss rekonstruiert. Sie umfasst rund 6000 Figuren im Depot und in der Ausstellung. Zwischen die Szenen sind nun behutsam Objekte in Vitrinen und Fahnen mit Texten und historischen Fotos eingebettet worden, die anschaulich machen, wie Schmederer Krippen baute und umbaute, wie er seine Szenen entwickelte und wie die kostbaren Objekte heute konservatorisch betreut werden. Die Ausstellung ist - neben dem "Theater-Erlebnis" der Krippenszenen selbst - eine willkommene Ergänzung und Erklärung dieser herausragenden Schau. Die Fortsetzung dieser Forschungsarbeit könnte sein, nun auch den jüdisch-evangelischen Kunsthistoriker Rudolf Berliner in den Blick zu nehmen, der als Konservator am Bayerischen Nationalmuseum von 1920 bis 1935 (unterbrochen von einer Haft im KZ Dachau) sein Standardwerk über Krippen verfasste und publizierte.

Am 100. Todestag des Sammlers Max Schmederer, dem 7. Dezember, eröffnen um 18 Uhr die "Münchner Krippenfreunde" in der Rathausgalerie im Neuen Rathaus am Marienplatz eine große Krippenausstellung mit 100 Krippen aus 300 Jahren. Damit erinnert der Verein an ein Gründungsmitglied, das vielen Münchnern die Liebe zur Krippe ins Herz gesenkt hat.

"Herr der Krippen", Bayerisches Nationalmuseum, Prinzregentenstraße 3, bis 4. März, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr.