München
Künstler der Rosenidylle

06.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:06 Uhr

Rosen auch auf dem Wandteppich: Hans Christiansens „Schutzengel“ aus dem Jahr 1901. - Foto: Museumsberg Flensburg

München (DK) Er brachte Strömungen der Pariser Kunstwelt nach Deutschland und integrierte sie in den Darmstädter Jugendstil: Hans Christiansen wurde prägend für die Kunst nach 1900, aber der Nationalsozialismus löschte die Erinnerung an ihn fast aus.

Umso wichtiger, dass das Museum Villa Stuck diesen „Gesamtkunstwerker“ in einer Ausstellung vorstellt, die sich wunderbar in die historischen Räume des Franz von Stuck einfügt. Geboren wurde Christiansen 1866 in Flensburg, und sein berufliches Leben begann er als Malergeselle, um dann als Dekorationsmaler in Hamburg zu arbeiten. Entscheidende Impulse erhielt er 1895 in Paris, wo er die Plakate von Toulouse-Lautrec, die Lampen von Tiffany und japanische Farbholzschnitte kennenlernte. Das ist der Moment, als er aus überkommenen grafischen Strukturen ausbricht und seine Linien Schwung bekommen. Die chronologisch aufgebaute Schau führt dies deutlich vor Augen: Ob Federboa, Rocksäume oder Locken – in Paris entdeckt Christiansen, dass das menschliche Auge gerne der sich windenden Linie folgt.

Entscheidend für seinen Aufstieg als Jugendstilkünstler ist seine Berufung an die Darmstädter Mathildenhöhe durch Großherzog Ernst Ludwig von Hessen. Hier baut er 1901 sein „Haus in Rosen“, und das Motiv der Rosen bestimmt fortan sein Schaffen. Ob Tischdecke oder Service, ob Weingläser oder Bildnisse, ob Schlafzimmerschrank oder Sofa – immer sind stilisierte Rosenblüten das Hauptgestaltungs-Merkmal. Das gilt sogar für seine Kleidungsentwürfe – die Schau zeigt ein Abendkleid im Prinzessschnitt, bei dem sich auf dem Busen roter Samt zu Rosenknospen windet. Interessant ist, dass Christiansen seine Villa 1911 verkauft und ins vornehme Wiesbaden zieht, wo er sich strenge Salonmöbel im Stil des Klassizismus fertigen lässt.

Die selbst geschaffene Rosenidylle wird schließlich auf zweifache Art zerstört: Die Nationalsozialisten schließen Christiansen aus der Reichskunstkammer aus, weil er sich von seiner jüdischen Ehefrau nicht scheiden lässt. Das „Haus in Rosen“ zerstört 1944 ein britischer Luftangriff. Und Christiansen stirbt als verarmter und unbekannter Maler in Wiesbaden am 5. Januar 1945, kurz vor Kriegsende.

Dass er nun erstmals in einer Retrospektive geehrt wird, die von vier Institutionen erarbeitet wurde, holt ihn aus dem Schatten seiner Zeitgenossen Henry van de Velde, Joseph Maria Olbrich und Peter Behrens heraus. Auftakt des Ausstellungsreigen war die Darmstädter Mathildenhöhe und das Berliner Bröhan-Museum. Nach der Station in der Villa Stuck geht die Schau weiter auf den Museumsberg Flensburg – und damit wäre der Grundstein gelegt für eine Zusammenarbeit in Sachen Jugendstil, die hoffentlich eine Fortsetzung findet.

Bis zum 20. September in der Villa Stuck, geöffnet täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr.