München
Keine leichte Kost

Die Pinakothek der Moderne kann jetzt einen imposanten Saal mit Werken von Anselm Kiefer präsentieren

22.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:54 Uhr

Skandal-Pose: Anselm Kiefer setzt sich zeitlebens immer wieder kritisch und radikal mit dem Nationalsozialismus und dem Faschismus auseinander. Links das Werk "Occupations", 1969/2011", rechts: "Morgenthau", 2016. ‹Œ - Fotos: Charles Duprat, Georges Poncet/Bayerische Staatsgemäldesammlungen

München (DK) Nun sitzt er also neben dem Minister. Der plaudert angeregt mit ihm, Ludwig Spaenle, den man bei Kunstterminen nie sonderlich entspannt erlebt, bringt diesen ach so schwierigen Anselm Kiefer sogar zum Lachen. Der Anlass ist aber auch zu schön: Gleich fünf Werke des 72-jährigen Malers und Bildhauers aus Donaueschingen konnten für die Pinakothek der Moderne erworben werden.

Staatliche Mittel waren beim Ankauf allerdings nicht im Spiel, wie denn, der Etat für solches ist in den Museen so verschwindend gering, dass potente Freunde oder Gönner gefragt sind. Die Stiftung Michael & Eleonore Stoffel ließ sich für den Erwerb erwärmen, und nun darf der famose Fang "auf ewig" von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gehegt und vor allem gezeigt werden.

Im Fall Kiefer ist das bitter nötig. Mit einer einzigen Arbeit - "Nero malt" aus dem Jahr 1974 - war der bedeutende Erneuerer des Historienbilds bislang in der Pinakothek der Moderne vertreten. Und die gehört mit ihrer teerschwarz leuchtenden plakativen Wucht noch nicht einmal zum Besten des Meisters, der sich seit den späten 1960er-Jahren als hoch versierter Hygiene-Arbeiter der Deutschen einen Namen gemacht hat.

Durch die Neuzugänge, die in einem eigenen Saal präsentiert werden, manifestiert sich das nun endlich auch in der ehemaligen "Hauptstadt der Bewegung". Vom eindringlichen "Sand aus Urnen", einer ruinösen Backsteinlandschaft, deren Titel auf Gedichte des Holocaust-Überlebenden Paul Celan anspielen, bis zu klassischen Kiefer-Aufregern wie den "Occupations". Die zeigen den jungen Künstler mit dem seit 1945 verbotenen Hitler-Gruß. Grundlage sind Fotografien seiner Abschlussarbeit an der Akademie in Karlsruhe, mit denen er 1969 für einen bundesweiten Skandal gesorgt hat: Kiefer war seinerzeit durch halb Europa gezogen, um sich in Holland, der Schweiz, in Frankreich und Italien mit erhobenem rechten Arm aufzunehmen, teilweise in der Wehrmachtsuniform seines Vaters. Im Vergleich zu Jonathan Meeses geradezu infantiler Hitler-Gruß-Performance war das ein unendlich schmerzhaftes Wühlen in den eisern bedeckten Wunden einer schweigenden Nation.

Und nun taucht der Kunststudent von damals auf beiden "Occupations"-Gemälden (2011) aus einem diffusen, bleischwer umrandeten Hintergrund auf, gleich einer albtraumhaften Erscheinung, die man doch längst ad acta gelegt hat. Damit ist Anselm Kiefer schon wieder aktueller, als uns lieb sein kann. Genauso scheinen die zwei neuen hochformatigen Vitrinen nur dem Namen nach allzu alte Geschichten zu erzählen. Kopfüber hängen "Die 12 Stämme" (Israels) aus Sonnenblumen, ihre zu Boden gefallenen Samen sind aus Blei, dem schlagkräftig tauben Geschossmaterial, das Kiefer nicht müde wird einzusetzen in einer Welt explodierender Konflikte. Ein paar Samen schimmern gülden. Und daraus könnte ja etwas werden. Wenn man so will. Es gäbe aber noch unzählige weitere Fährten, das macht die Qualität dieses Å’uvres aus.

Pinakothek der Moderne München, Saal 30, Di bis So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr. Weitere Informationen unter www.pinakothek.de" class="more"%>.