München
Im Sahnemeer

"Schlagobers": Ein Ballett von Richard Strauss als Münchner Erstaufführung am Gärtnerplatztheater

18.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:51 Uhr

Allzu unzeitgemäß: Szene aus „Schlagobers“ von Richard Strauss im Gärtnerplatztheater - Foto: Briane

München (DK) Doch, das gibt es – die Erstaufführung eines Werkes vom „Hausgott“. Denn neben Mozart und Wagner mit ihren Uraufführungen in München gilt auch Richard Strauss als eine der Ikonen des Münchner Theater- und Musiklebens. Opern, Symphonisches und Lieder sind bekannt, weniger sein Ballett „Josephslegende“ – gar nicht seine 1924 in Wien uraufgeführte Tanzhandlung „Schlagobers“. Dementsprechend groß war das Interesse an der Münchner Erstaufführung durch das Ballett des Gärtnerplatztheaters in der Reithalle.

Gleichsam aus dem Publikum heraus führt eine Tante ihren kleinen Neffen anlässlich seiner Firmung groß aus – im Original ins Wiener „Demel“, also ins Paradies aller Zuckerbäckerei und Konditorei. Dort frisst sich der Bub an all den süßen Herrlichkeiten übervoll, landet im Krankenhaus – und auch dort umtanzen ihn in Albträumen nochmals alle Süßigkeiten. Doch im inflationsgeschädigten Wien von 1924 mit Lebensmittelknappheit und sozialen Unruhen, nach dem Schock der „Sacre“-Uraufführung und umgeben von neuen Rhythmen, Revuen und Tanzstilen wirkte das Sahnestückchen des damals als Hofoperndirektor gefeierten Strauss recht unzeitgemäß. Das galt es nun zu überprüfen.

In großer Besetzung sitzt das Orchester auf einem hohen Podium hinter der großen Tanzfläche. Ohne Striche und Retuschen erklingt der „Schlagoberswalzer“, für Kaffee und Kakao auch eine brasilianische „Maxixe“, andere Nationaltänze bis hin zur Tarantella. All das kommt etwas gekonnt, zu raffiniert komponiert, vor allem aber ziemlich üppig und wuchtig daher und nicht gerade sahnig-luftig und leicht. Gerade deshalb müsste Dirigent Marco Comin den Klang verschlanken, verfeinern und mehr ziselieren.

Auf der zunächst leeren Tanzfläche sucht Choreograf Karl Alfred Schreiner die damalige Stil-Problematik weiter-zuentwickeln: weg vom „danse d’ecole“, durch Verbiegen, Überkreuzen und Brechen klassischer Formen ins Groteske und Schräge. Technisch war da vieles gelungen und zu bestaunen, nur prägte beide 40-Minuten-Akte prompt ein quirliger Daueraktionismus.

Alfred Mayerhofers Kostüme charakterisieren weder Teeblüte, noch Marzipan, Praliné, Quittenwürstchen, Zwetschgenmann, Brombeere oder Knallbonbons. Das Licht spielt erst viel zu wenig und dann mit drei großen Operationslampen zu umständlich-aufwendig mit. Im ersten Teil dominieren die von Kaspar Glarner entwickelten Tortenbodenscheiben aus minzgrün, safrangelb, beerenrot und kakaobraun gefärbtem Schaumstoff, die allzu oft und doch wenig „mitspielend“ zu übermenschlich großen Cremeschnitten geschichtet werden. Ums Krankenbett spreizt sich dann amüsante Arzt-Eitelkeit und ein Hauch von Krankenschwester-Erotik.

In Erinnerung bleibt als theatralischer Gag, dass am Ende vier Seifenschaum-Kanonen die Bühne in ein Sahnemeer verwandeln, in dem sich die ganze Kompanie vor dem staunend-träumenden Neffen fröhlich tummelt, vom Tanzschritt ins Gleiten kommt, untertaucht und „sahne-gebadet“ wieder aufspringt. Ob das Werk zu retten wäre, wenn man Schreiners gelungenen Ansatz am Anfang – das virtuos eitle, arrogant herablassend „bedienende“ Kellner-Jonglieren mit Kuchenstücken – konsequent zu theatralisch sprechenden Handlungsballettszenen zwischen Konditorei-Realität und surrealen Übelkeitsalpträumen geformt hätte? Der gut getanzte, freudig beklatschte Premierenabend hinterließ als Gesamteindruck doch eher gemischte Gefühle.

Weitere Aufführungen heute und am 20. und 21. Dezember.