München
Hinuntersteigen zum Licht

Gestern wurde das Museum Ägyptischer Kunst in München eröffnet

10.06.2013 | Stand 03.12.2020, 0:03 Uhr

München (DK) Wer auf den Eingang des Museums Ägyptischer Kunst zuschreitet, auf diese Tür in der monumentalen Wandscheibe des Portals, der folgt einer altägyptischen Redewendung: „Hinuntersteigen zum Licht.“ Denn der Kölner Architekt Peter Böhm hat mit Mauern, die elf Meter im Grundwasser stehen, in der Tiefe Räume gestaltet, die der Schönheit ägyptischer Kunst zur Entfaltung verhelfen. Direktorin Sylvia Schoske und ihr Team sorgten mit edel zurückhaltenden Vitrinen dafür, die Exponate in Szene zu setzen.

So schön und so vielfältig war ägyptische Kunst in München nie zu sehen.

Ein Relief mit dem Gebet an den Sonnengott Re – und was könnte aktueller sein in diesem Flut-Sommer – ist das erste Objekt im Foyer, bevor eine sanft abfallende Treppe zum Ausstellungsareal führt. Im ersten Raum, der Skulpturen aus einem Zeitraum von dreitausend Jahren vergleichend zeigt, ist es taghell – dank eines Lichthofes.

Das Konzept der Präsentation fällt ins Auge: Den Objekten, vorrangig Skulpturen, wird viel Raum eingeräumt. Der hellgraue Sichtbeton der Wände, dunkelgrauer Muschelkalk-Bodenbelag, schwarzer Stahl und Glas werden so eingesetzt, dass die Plastiken einander nicht bedrängen, sondern je für sich sprechen können. Ein fingergroßes Köpfchen von Pharao Cheops, der einst die größte Pyramide bauen ließ, und ein ebenso kleines Prinzessinnen-Köpfchen – solche Exponate entfalten in meterhohen Glaskuben eine Wirkung, die sie in einer üblichen Wandvitrine neben anderen Objekten kaum hätten.

Hinzu kommt eine Beleuchtung, die jeden Körper für sich modelliert, seine Eigenschaften hervorhebt und ihn geradezu auratisch umschmeichelt. LED-Technik sorgt dafür, dass bei niedrigem Stromverbrauch eine ungleich stärkere Wirkung entfaltet werden kann als mit herkömmlichen Strahlern. Moderne Museumstechnik trägt also dazu bei, dass Exponate, die im Alten Ägypten als Kultobjekte verehrt wurden, nun durch Raum, Licht und Stille eine museale Würdigung erfahren.

All dies ermöglicht ein ästhetisches Erleben von Kunst, und wer mag, muss nur den Führungslinien am Boden folgen, dann wird er tiefer und tiefer hineingeführt in ein unterirdisches Labyrinth, in dem von Raum zu Raum, von Thema zu Thema die Objekte geheimnisvoller in Szene gesetzt werden. Einer der Glanzpunkte ist die vergoldete Sargmaske der Königstochter Sat-Djehutj um 1575 v. Chr., die hoheitsvoll in den Raum blickt, wo bemalte Särge den Jenseitsglauben vor Augen stellen.

Wer die Themen vertiefen möchte, für den werden Tablets mit Bild- und Tondateien bereitgehalten, oder er kann sich an Informations-Würfeln vor den Objekten Fakten, Verknüpfungen und Hintergründe ansehen. Besonders faszinierend ist ein Hieroglyphen-Schlitten, mit dem jeder aktiv vor dem auf Papyrus geschriebenen Totenbuch entlangfahren kann, um die Schriftzeichen in der Übersetzung lesen zu können, beispielsweise die Rede über Osiris Pajuheru vor den Richtergottheiten des Jenseits: „Brot gab er den Hungrigen, Wasser den Dürstenden, Kleider den Nackten . . .“

Das Beispiel belegt, was Professor Dietrich Wildung, ehemaliger Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin, so formuliert: „Ägypten war eine Leitkultur für Griechen, Römer und die Renaissance – jetzt marschiert Ägypten hinein in unsere Gegenwart!“ Das neue Haus im Münchner Museumsareal wird ein Publikumsmagnet – und waren die Schätze im provisorischen Quartier in der Residenz auf 600 Quadratmetern zusammengedrängt, so stehen jetzt 1800 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung. Die zweitausend Exponate wird keiner in einem Rundgang erfassen, jeder Schwerpunkt ist spannend – so zeigt der Themenbereich „Nach den Pharaonen“ etwa die Wurzeln christlicher Kunst in der ägyptischen Kultur. Bedauerlich ist nur, dass der einzige echte Obelisk Münchens nicht vor dem Eingang des Museums stehen darf, sondern hinter Glas verbracht wurde – hingegen sind in Rom 14 Obelisken dem alltäglichen Smog der Millionenstadt ausgesetzt.