München
Herrliches Liebes-Puzzle

Joseph E. Köpplinger inszeniert "Lächeln einer Sommernacht" in München

07.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

Spielen und singen beschwingt: Sigrid Hauser als Provinzschauspielerin Desirée Armfeldt, Beate Korntner als junge Ehefrau Anne Egerman und Erwin Windegger als langsam alternder Fredrik Egerman (von links) in der Inszenierung von "Lächeln einer Sommernacht". - Foto: Dashuber

München (DK) Wieder einmal erwiesen sich unsere mitteleuropäischen Grenzziehungen als hinfällig, speziell diese Einstufung von "Broadway" und "Musical" als "U" - als nette Unterhaltung, die nicht an die Höhen und Tiefen der wahren Kunst in der "E-Musik" heranreicht. Den Beweis liefert derzeit das Münchner Gärtnerplatztheater mit fast jeder Produktion.

Diesen Höhenflug setzt es mit der Inszenierung von Stephen Sondheims "Lächeln einer Sommernacht" durch Intendant Joseph E. Köpplinger fort.

Wer sich noch einmal Ingmar Bergmans Film von 1955 ansieht, wird von der Strenge, dem langsamen Tempo und der gewissen Gestelztheit des Ganzen eher befremdet sein. Der theatralisch versierte Sondheim, sein Texter Hugh Wheeler und Regisseur Harold Prince griffen 1973 zwar Bergmans Grundidee auf, dachten aber an eine Brücke zu Mozarts "Kleiner Nachtmusik" samt dessen Freude an musikalischem Spaß und erotischem Wirbel in Shakespeares "Sommernachtstraum". Herauskam ein oft witziges, mehrfach geistreiches Schauspiel mit hochklassiger Musik. Nach dem pfiffigen Beginn, die Ouvertüre von den fünf dienstbaren "Geistern" in der Handlung auf fein abgestuftes, die Orchesterinstrumente imitierendes "La-la-la" singen zu lassen, fing Sondheim den erotischen Wirbel in durchgängig wechselnden 3/4- oder 6/8- oder noch raffinierteren Walzerrhythmen ein.

Die kleine Orchesterbesetzung hält Dirigent Andreas Kowalewitz im intimen Raum des Cuvilliéstheaters (dem derzeitigen Spielort des Gärtnerplatztheaters) ganz auf dezente und pointierte Begleitung, die dann nur zu den passenden Gelegenheiten mal emotional aufschäumt. Wheelers Dialogsatz "Die Ehe ist nicht das einfachste Verwandtschaftsverhältnis" erhellt schlaglichtartig alles: Drei falsch oder hochproblematisch arrangierte Paare finden sich auf dem Landsitz der durch zahllose Amouren bis zur königlichen Geliebten aufgestiegenen, jetzt ergrauten Madame Armfeldt ein.

Daraus macht die "Grande Dame" des Gärtnerplatztheaters, Gisela Ehrensberger, abermals einen ihrer erinnernswerten Auftritte: Selbst im (von der Regie verordneten) Rollstuhl wird ihre Erinnerungsarie "Liaisons" zur entlarvenden Abrechnung mit dem Heute, wo "Plaisir" zur "Gier" geworden ist, und man zum "Souper" nun "Salat, nein: Kekse" reicht. Und sie erklärt ihrer Enkelin (locker: Amelie Spielmann) das dreifache Lächeln der Sommernacht. Einmal für die Jungen, die zu wenig wissen - das sind der verkrampfte Theologiestudent Egerman und seine 18-jährige Stiefmutter, die nach elf Monaten jungfräulicher Ehe mit dem über vierzigjährigen Rechtsanwalt Egermann am Ende gemeinsam durchbrennen (was Christof Messner gut und Beate Kortner etwas zu piepsig schrill gelingt).

Ein zweites Lächeln für die Narren, die zu wenig wissen - voran der "erbsenhirnige" Offizier Graf Malcolm, der seine lebenslustige Frau gerade mit der Schauspielerin Desirée Armfeldt betrügt und alle Idiotien des Offiziers verkörpert (woraus Daniel Prohaska eine schneidige Tenor-Karikatur und Julia Klotz eine mal fraulich pfiffige, dann herrlich betrunkene Studie machen).

"Narren" sind aber auch der einst mit der jungen Schauspielerin Desirée liierte Rechtsanwalt Egerman, der jetzt schon sein Mittagsschläfchen braucht, mit seiner blutjungen Frau nicht umgehen kann und sich seiner alten Liebe wieder annähert (was Erwin Windegger belächelnswert und dennoch männlich markant verkörpert und singt). Diese in der Provinz stecken gebliebene Schauspielerin Desirée ist eine Paraderolle für Sigrid Hauser: lebenserfahren, realistisch desillusioniert und dennoch sowohl weiblich anziehend wie fraulich liebevoll. Prompt versucht sie auch nicht, im Balladenklassiker "Send In The Clowns" an die Welt-Hits einer Shirley Bassey oder Barbra Streisand anzuknüpfen, sondern macht im feinen Zusammenspiel mit Dirigent Kowalewitz daraus eine anrührende Selbstbespiegelung, eine Lebensbilanz, deren Piano in Bann schlägt.

Ein herrlicher Kontrast zum Sommernachtswirbel auf der mit wenigen Requisiten wechselweise bestückten Drehbühne, die durch den vielfach hin und her gezogenen roten Diagonalvorhang "die ganze Welt als Bühne" zeigt. So präsentieren Ausstatter Rainer Sinell, Choreografin Ricarda Ludigkeit und Regisseur Köpplinger einen temporeichen, alle "U"- und "E"-Grenzen vergessen machenden, exzellenten Musiktheaterabend.

Das Musical ist noch von 8. bis 12. Februar jeweils ab 19.30 Uhr im Cuvilléstheater zu sehen. Am Sonntag, 14. Februar, beginnt es um 18 Uhr. Karten gibt es unter Telefon (089) 21 85 19 60 oder im Internet unter www.gaertnerplatztheater.de.