München
Frauenpower hinter Klostermauern

Das Musical "Sister Act" nach dem Film mit Whoopi Goldberg gastiert von Mai bis Juli am Deutschen Theater München

17.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:18 Uhr

Zwei Welten prallen aufeinander - und alles löst sich in Klang auf. Deloris (Aisata Blackman) zwischen ihren Mitschwestern bei einem etwas anderen Kirchenchorkonzert. - Foto: Eventpress/Stage Entertainment

München (DK) Glauben Sie ihnen nicht. Der Trick ist die Palette. Wenn von Mai an das Musical "Sister Act" im Deutschen Theater gespielt wird, dann werden drei am Bühnenboden montierte und mit Bühnenausstattung bestückte Paletten ermöglichen, dass Umbauten wie von Zauberhand geschehen. Eine ausgefeilte Hinterbühnen-Choreografie von fünf technischen Abteilungen macht es möglich, dass sich eine Polizeistation zur Kirche wandelt, das Refektorium zur Bar mutiert. Feinarbeit, die das Publikum im besten Fall nie zu sehen bekommt.

Die Technik kannte schon das Barocktheater, doch auch heute noch, wo elektrisches Licht und hauchfeine Gazevorhänge, Videotechnologie und Tontechnik die Illusion unterstützen, macht es im Publikum "Oooh" und "Aaah", wenn sich realistische Räume scheinbar von selbst falten und dehnen. Und ein bisschen muss man eben dran glauben: an das ewige Versprechen des Theaters, dass hier alles echt ist.

Im Frühjahr wurde die Show mit großem Erfolg in Berlin am Theater des Westens gegeben, derzeit ist sie im hessischen Niedernhausen zu Gast, bevor die Trucks mit Ausstattung, Kostümen und Technik sich wiederum in Bewegung setzen. In München werden dann achtmal pro Woche die Nonnen los sein. Frei nach Bernstein "Gitter and be gay" könnte es hier eher heißen: "Glitter now, but pray."

Die Handlung ist schnell erzählt: Eine Barsängerin hat einen Mord gesehen und wird nun im Rahmen des Zeugenschutzprogrammes in einem Kloster versteckt, wo sie in lockerer Moral und weltlicher Lebenslust alles durcheinanderbringt. Sie soll sich dann um den kläglichen Chor der Nonnen kümmern, was so gut gelingt, dass die swingenden, rockenden Sangesschwestern bald zu viel Aufsehen erregen. Schon sind ihr die Gangster auf den Fersen, aber wo Nonnen zusammenhalten, hat das teuflische Verbrechen natürlich keine Chance. Die Story hat auf der Showbühne, obwohl die Songs nicht die Ohrwürmer aus der Filmvorlage sind, zweifellos Schwung und Verve. Erstaunlich, wie viel authentische Weiblichkeit sich trotz der tristen Kloster-Habits hier Bahn bricht. Für den Cast, jene etwa 30 Sängerinnen und Sänger, welche fast täglich auf der Bühne stehen, bedeutet das flotte Musical allerdings Knochenarbeit und ein Leben in Disziplin: Ohne Heiserkeit durch die Erkältungszeit kommen, dem täglich ausgebrannten Körper genug Erholung für die nächste Show geben, sich immer wieder auf eine andere Besetzung einstellen, das sind neben der Herumreiserei ihre größten Herausforderungen. Hauptdarstellerin Aisata Blackman, die privat einen aparten Minimal-Haarschnitt trägt, der mit dem Wort Glatze völlig unzureichend beschrieben wäre, findet aber: "Das Publikum muss eine Show sehen, die jedes Mal ehrlich und warm ist. Nicht perfekt."

Die starke Frauencombo, die hier auf der Bühne steht, ist auch hinter der Bühne höchst harmonisch, findet sie. Privat organisieren sie zusammen eine Art Fitnessprogramm mit Step, Seilspringen, Yoga - als Ausgleich zur Bühnenarbeit. Und manchmal sitzen nach der Vorstellung alle zusammen und spielen leidenschaftlich das Kinderkartenspiel "Uno", berichtet Bühnenkollegin Abla Alaoui, welche die junge, noch schüchterne Schwester Mary Robert gibt. Dass sie ihren Körper für diese Rolle in einer Kutte verstecken muss, findet sie nicht schlimm: "Das Kostüm lenkt den Blick auf das Gesicht", hat sie festgestellt. Aber als sie zu Beginn der Proben erfahren hat, dass sich die Schwestern vor der Vorstellung konsequent abschminken sollten, da war sie fast erschrocken: kein bisschen Grundierung, nicht mal die Augen betont und dann so auf die Bühne? "Da fühlt man sich erst einmal nackt", lacht die Sängerin.

Aber es funktioniert: "Das private Ich ist abgewischt." Ungeschminkt wirken die Schwestern bieder, fast verhärmt im Scheinwerferlicht - und der Kontrast, wenn sie zum Ende der Show in Glitzergewändern die Kirche rocken, fällt umso krasser aus. Man könnte ihnen den Geist, der sie erfüllt, fast glauben.

Termine im Deutschen Theater: vom 19. Mai bis zum 9. Juli 2017, täglich außer Montag, am Wochenende Doppelvorstellungen.
 

Der Film und das Musical


Der Film war ein Blockbuster und traf den Nerv der Zeit. Als Whoopi Goldberg 1992 in der US-amerikanischen Filmkomödie „Sister Act – Eine himmlische Karriere“ durchstartete, brachte sie zusammen, was sich sträubte: Schwarz und Weiß, Kirche und Crime, Gospel und Choral, Dreadlocks und den Nonnenhabit – und auch wenn das Ganze ein wenig trivial geriet, es fühlte sich gut an. Die Fortsetzung war weniger erfolgreich, und der dritte Film, der vor zwei Jahren einmal angekündigt war, wurde nie gedreht. Doch offensichtlich ließ das Thema die Schauspielerin nie mehr los. Die Nonnen-Klamotte blieb neben „Die Farbe Lila“ wohl ihr erfolgreichster Film. Inzwischen ist Goldberg, die übrigens auch einmal drei Jahre in der DDR gelebt hat, 61 Jahre alt. Sie wohnt in New Jersey und ist dreifache Großmutter. Als Botschafterin für Unicef und die Akzeptanz von Homosexuellen bezieht sie in der amerikanischen Gesellschaft klare Position. Für das auf dem Film basierende Musical stand sie als Co-Produzentin Pate. DK