München
Fräulein Courage aus Wittenberg

Umjubelte Uraufführung: "Magdalena Himmelsstürmerin" im Münchner Theater der Jugend

18.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:10 Uhr

Magdalena ist 14 Jahre alt, als Martin Luther seine 95 Thesen an die Türen der Wittenberger Schlosskirche schlägt. Aus ihrer Sicht wird das Stück "Magdalena Himmelstürmerin" erzählt (von links: Lucca Züchner, Verena Rendtorff, Markus Campana, Panos Papageorgiou, Nick-Robin Dietrich und Rafael Mayer). - Foto: Digipott

München (DK) Zu den renommiertesten und erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautoren zählt er zweifellos. "Gloria von Jaxtberg", "Mensch Karnickel" oder "Muschelkind" beispielsweise erreichten ebenso hohe Auflagen und bedeutende Auszeichnungen wie seine musikalischen Bilderbücher.

Auch seine Theaterstücke feierten große Erfolge. Jetzt hat Rudolf Herfurtner, Jahrgang 1947, aus Anlass des Luther-Gedenkjahres 2017 seinen vor drei Jahren erschienenen Roman "Magdalena Himmelsstürmerin" in eine Bühnenfassung umgegossen, die an der Schauburg, Münchens Theater der Jugend, umjubelte Uraufführung erlebte.

Vor dem Hintergrund der Wirren der Reformation stellt Herfurtner in einem historischen Bilderbogen die inneren Konflikte eines 14-jährigen Mädchens dar, das in Wittenberg in die mit harten Bandagen geführten Auseinandersetzungen der Luther-Anhänger und -Gegner gerät. Spannend ist diese Lehrstunde über die Ursachen, das Wesen und die Folgen von Luthers Thesenanschlag und dessen Aufbegehren gegen die päpstliche Allmacht. Und ebenso tief wie einfühlsam leuchtet Herfurtner vor allem in die Psyche dieses nach Wahrheit und Erkenntnis suchenden Mädchens hinein, indem er den sozialen Aufstieg dieser fiktiven und doch so realen Magdalena Reinprecht zur Titel gebenden, selbstbewussten "Magdalena Himmelsstürmerin" in zahlreichen Episoden nachzeichnet.

Wie dieses Mädchen durch stets wissbegieriges Fragen und Nachfragen, durch die Lektüre der 95 Luther-Thesen und zeitgenössischer Streitschriften sowie durch die kritische Auseinandersetzung mit den sozialen und gesellschaftlichen Problemen ihrer Zeit zur engagierten Mitbürgerin wird, ist die Kernaussage dieses Schauspiels. Diese überzeitliche Aufforderung zur Entwicklung einer starken Persönlichkeit durch Eigeninitiative und durch Streben nach Bildung zieht sich wie ein roter Faden durch die Inszenierung. Berührende Szenen wechseln bisweilen freilich auch mit allzu melodramatisch angelegten Episoden ab. Doch bilderstark und emotional packend ist diese Aufführung auf jeden Fall.

Und an Regiegags (Martin Luther beispielsweise als sprechende Puppe wie aus der Muppet-Show samt etlichen Gruseleffekten aus der Walpurgisnacht und mit einem Ablassprediger wie eine Horrorgestalt aus der Geisterbahn) ist hier so manches geboten. Dazu viel Trommelwirbel, gregorianische Gesänge zur Kontem-plation der Mönche und zur Einschüchterung des katholischen Fußvolkes sowie Glocken- und Glöckchenklang bei mystischen Zeremonien (Musik: Martin Zels). Von dem achtköpfigen Ensemble, das blitzschnell in die Rollen und Kostüme von zwei Dutzend Figuren schlüpft, ragen besonders Lucca Züchner als die mit jugendlicher Neugier nach Erkenntnis strebende Magdalena und Markus Campana als ihr Freund aus Kindertagen und jetziger heißblütiger Luther-Verehrer hervor. Und wunderschön, wie Regina Speiseder als Magdalenas geheimnisvolles Alter Ego die Fidel streicht und als personifizierter Tod ganz leise und versponnen allen physischen und psychischen Unterdrückungsformen der geistlichen, fürstlichen und bürgerlichen Herrschaften Paroli bietet.

Vorstellungen heute und morgen sowie vom 18. bis 22. November. Kartentelefon (0 89) 23 33 71 55.