München
Fluch der ewigen Jugend

Leoš Janáceks Oper "Die Sache Makropulos" feiert an der Bayerischen Staatsoper Premiere

20.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

337 Jahre alt und vom Leben gelangweilt: Szene mit Nadja Michael als Emilia Marty in der Oper „Die Sache Makropulos“ an der Bayerischen Staatsoper - Foto: Hösl

München (DK) Wie sieht eine 337 Jahre alte Frau aus? Grandios, mondän, makellos schön. Verführerisch schleicht die Blondine über die Bühne, in enger Hose, weißem T-Shirt und schwarzer Lederjacke. Und die Männer können kaum ihre Blicke von ihr wenden. Emilia Marty heißt sie, oder Elina McGregor oder Elina Makropulos oder noch anders. Die schöne Sängerin hat sich mit unterschiedlichen Identitäten durch die Jahrhunderte hindurchgemogelt, um ihr nahezu ewiges Leben zu verschleiern. Denn Emilia ist das Opfer eines alchemistischen Experiments. Im 16. Jahrhundert wollte Kaiser Rudolf II. sein Leben verlängern. Emilias Vater versprach Abhilfe mit einem magischen Medikament. An seiner Tochter sollte es ausprobiert werden – mit zunächst verheerenden Folgen. Emilia versank ins Koma, ihr Vater wurde für den Rest seines Lebens eingekerkert. Aber das Mittel wirkte. Emilia erwachte wieder und wandelt seit Jahrhunderten als ewige Femme fatale durch die höheren Gesellschaftsschichten. Nun allerdings lässt die Wirkung des Medikaments nach, und Emilia ist verzweifelt auf der Suche nach der Formel ihres Vaters.

Emilia Marty heißt sie, oder Elina McGregor oder Elina Makropulos oder noch anders. Die schöne Sängerin hat sich mit unterschiedlichen Identitäten durch die Jahrhunderte hindurchgemogelt, um ihr nahezu ewiges Leben zu verschleiern. Denn Emilia ist das Opfer eines alchemistischen Experiments. Im 16. Jahrhundert wollte Kaiser Rudolf II. sein Leben verlängern. Emilias Vater versprach Abhilfe mit einem magischen Medikament. An seiner Tochter sollte es ausprobiert werden mit zunächst verheerenden Folgen. Emilia versank ins Koma, ihr Vater wurde für den Rest seines Lebens eingekerkert. Aber das Mittel wirkte. Emilia erwachte wieder und wandelt seit Jahrhunderten als ewige Femme fatale durch die höheren Gesellschaftsschichten. Nun allerdings lässt die Wirkung des Medikaments nach, und Emilia ist verzweifelt auf der Suche nach der Formel ihres Vaters.

In der neuen Produktion von Leoš Janáceks Oper „Die Sache Makropulos“ im Münchner Nationaltheater verkörpert Nadja Michael die Emilia. Eine bessere Darstellerin hätte man kaum finden können. Denn diese 45-Jährige turnt so gelenkig, mit so schlanker Figur und so elegant über die Bühne, als wäre sie 20. Und sie setzt sich so lasziv in Szene, wie es vielleicht nur eine Frau mittleren Alters tun kann. Nadja Michael, mit ihrem gestählten Körper, wirkt selbst wie die Inkarnation ewiger Jugend.

Die Besetzung dieser Rolle ist entscheidend für Janáceks im Jahr 1926 uraufgeführtes Spätwerk. Denn es gibt kaum eine Repertoire-Oper, die sich so auf die Hauptdarstellerin konzentriert, und dabei nichts anderes ist, als ein fesselndes Porträt dieser vom Komponisten fast schon vergötterten alterlosen Frau. Sie muss daher mit überlebensgroßer Ausstrahlung, mit raumgreifender Attraktivität ausgestattet sein.

Und sie muss das Publikum mit ihrem Gesang in Bann schlagen. Was Nadja Michael ebenfalls gelingt. Ihr dramatischer Sopran überstrahlt alle anderen Stimmen mühelos und fasziniert fast noch mehr im feinsten Piano. Und sie hat die Vitalität, fast die gesamte Oper hindurch auf der Bühne zu stehen und am Ende noch einen energiegeladenen Schlussmonolog zu singen, der wohl kaum weniger Kraft fordert als Isoldes Liebestod-Szene in Wagners „Tristan“. Da lässt sich darüber hinwegschauen, dass Nadja Michaels Sopran gelegentlich nicht ganz fokussiert ist und vor allem, dass ihr Timbre etwas kühl herüberkommt. Denn Kühle und Gleichgültigkeit kennzeichnen ohnehin den Charakter dieser 300 Jahre alten Schönheit.

Regisseur Árpád Schilling und Bühnenbildner Márton Ágh haben Janáceks Geschichte ins Umfeld seiner Entstehung gestellt. Emilia tritt meist im wallenden, hocherotischen Jugendstilkleid auf, die Männer tragen steife Smokings und dünne Krawatten. Der Bühnenraum wird von einer Drehbühne geprägt und ist so schmal, dass man Platzangst bekommen könnte. Und wechselt schnell von der kubistischen Version einer Rechtsanwaltskanzlei zu sterilen Hotelsälen und aseptischen Hinterbühnen. Am Ende rekelt sich Emilia auf einer Art Grabmal, wird ausgepeitscht und legt sich hin, um zu sterben. Sie will nicht mehr leben, weil sie alles schon erlebt hat. Weil sie darüber erkaltet ist, weil in Anbetracht der Ewigkeit die Dinge ihre Bedeutung verlieren. Die Formel übergibt sie ihrer jungen, ehrgeizigen Sängerkollegin Krista (Tara Erraught), die nun im viel zu großen Pelzmantel der Emilia eintaucht in die Welt der Leere und eisigen Kälte.

Weniger die Geschichte, weniger die Szenerie als die stampfende, ungeheuer erregende, kleinteilige, tschechisch-idiomatische Musik Janáceks reißt an diesem Abend mit. Tomás Hanus, der auch für eine historisch korrekte Neuausgabe der Partitur verantwortlich ist, dirigierte diese Musik wie eine gewaltige symphonische Dichtung, wendig, voller beißender Ironie, gelegentlich mit aufrauschender Romantik. Nur den Musikern des Bayerischen Staatsorchesters merkt man einige Probleme mit dem tschechischen Sound an.

In dieser Oper haben es alle Sänger neben der Emilia schwer. Und doch agieren achtbare Sängerdarsteller – besonders Pavel Cernoch als wahnsinnig verliebter Albert Gregor.

Freundlicher Beifall und einige Bravos für die Sängerriege und – erstaunlich – keine Buhrufe für die stimmige, aber nicht gerade besonders inspirierte Arbeit des Regieteams.