München
Einfach bauen in Afrika

Das Münchner Architekturmuseum ehrt Francis Kéré aus Burkina Faso mit einer Ausstellung

05.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:57 Uhr

Speziell auf dem afrikanischen Kontinent ist Francis Kéré wegen seiner konsequenten Verknüpfung von ethischen und ästhetischen Prinzipien ein wichtiges Vorbild für die kommende Generation. Hier sieht man das Lycée Schorge in Koudougou, Burkina Faso. - Foto: Schwartz/Gran Horizonte Media

München (DK)"Ich habe in der Mittagspause, bei 45 Grad Hitze, diese Stühle gezeichnet." Francis Kéré, Architekt, zeigt im Architekturmuseum der TU München auf die einfachen Sitzgelegenheiten aus Monier-Eisen, mit dem üblicherweise Beton stabilisiert wird. Die Eisenstäbe hat Kéré so gebogen, dass sie in Verbindung mit zwei Holzstücken als Sitz und als Rückenlehne einen einfachen und billigen, aber praktischen Stuhl ergeben. "Die Menschen sehen: Es geht mit dem, was wir haben!" Dieser Satz umfasst das Programm eines Architekten, der einst mit hundert Kindern auf dem Boden einer Dorfschule in dem "klitzekleinen" Dorf Gando in Burkina Faso saß.

Ein Stipendium brachte den 1965 geborenen Kéré nach Deutschland. Zunächst hat er in München, dann in Berlin Architektur studiert. Für den jungen Afrikaner war dies ein zweiter Initiations-Ritus. "Mit etwa zwölf Jahren gehen wir allein in den Wald, und dort muss man allein überleben." Durch einen Lehrmeister lernen sie viel über Magie, Kräuter und Heilkunde. Ganz ähnlich empfand er seine Reise ins gefährliche Europa, seine ersten Wochen im kalten Deutschland. Doch sein Ziel war, sich nützlich für die Gemeinschaft zu machen.

Schon als Student plante er eine Schule für sein Dorf Gando. Heute steht dort ein Bau, der für einen großen Umkreis als Schule dient. Gebaut wurde er mit Mauern aus Lehm, einem Dach aus Wellblech und einer Konstruktion aus gebogenen Eisenstäben, die das Dach von den Mauern fernhält. Durch diesen Zwischenraum strömt Luft - die warme Luft aus dem Inneren steigt auf und entweicht durch die Öffnungen, zusätzlich sorgen Kamine für Ventilation im Raum. Traditionelle Lehm-Amphoren wurden in die Wände eingebaut - in ihnen kann man Bücher verwahren. Alles in allem: Kéré nützte das traditionelle Baumaterial Afrikas, den Lehm; er kombinierte ihn klug und nach allen Regeln der architektonischen Kunst mit einer Konstruktion aus Eisenstäben und schuf damit eine Schule, die ohne Strom ein menschenwürdiges Klima hat.

Dass diesem Architekten nun eine Einzelausstellung im Architekturmuseum in der Pinakothek der Moderne gewidmet wird, ist folgerichtig, denn Kéré macht das, was in früheren Jahrhunderten auch in Europa Praxis war: mit Baumaterial vor Ort zu bauen. An der Mosel wurden Dächer mit Schiefer gedeckt, in der Pfalz Dome aus Sandstein gebaut, für den Aufbau Berlins war der Rohstoff Zement wichtig, und in Niedersachsen baute man Fachwerkhäuser aus Holzbalken, Stroh und Lehm. In Burkina Faso werden Dorfhütten bis heute aus Lehm gebaut, die Strohdächer sind jedoch anfällig für Termiten und unter einfachen Wellblechdächern wird es heiß. Kéré mischt in den Lehm etwa zehn Prozent Zement, um ihn haltbar zu machen, und hebt das Dach an, damit sich im Zwischenraum eine Thermik entwickeln kann.

Sein nächstes Projekt ist in seinem Dorf Gando eine weiterführende Schule. Bis genug Finanzmittel dafür zusammenkommen, verdient der inzwischen bekannte Architekt Geld mit Projekten in Deutschland, wie etwa eine Volksbühne am Berliner Flughafen Tempelhof. Daneben hat er Aufträge aus anderen afrikanischen Ländern - etwa für einen Nationalpark in Mali, für ein archäologisches Museum im Sudan. Mit seiner Grundschule in Gando gewann Kéré übrigens den renommierten Architekturpreis "Aga Khan Award for Architecture". Sein Credo lautet: wirklich einfach - "radically simple". Und so lautet auch der Ausstellungstitel, mit dem das Architekturmuseum sein Werk vorstellt. "Mensch, ich bin hier - das ist ein großer Festtag für mich", bekannte Kéré angesichts der Pläne, Modelle und Filmaufnahmen in der Ausstellung. Mit Blick auf seine Projekte in Afrika resümiert er: "Es kostet nichts - nur ein Architekturstudium in Deutschland!"

Bis 26. Februar 2017 im Architekturmuseum der TU München/Pinakothek der Moderne. Geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr.