München
Die Spuren der kleinen Leute

Seit den 70er-Jahren baut der New Yorker Künstler Charles Simonds seine Miniaturhäuser jetzt auch in München

27.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:52 Uhr

Foto: DK

München (DK) Winzige Leute haben hier ihr Zuhause. Wenn man sie also nicht mit dem bloßen Auge erkennen kann, muss das noch nichts heißen. Und vielleicht sind manche ja sogar nachtaktiv, wer weiß das schon. Auf jeden Fall lohnt es sich, einen längeren Blick auf die "Dwellings" zu tun, so heißen ihre Miniaturbehausungen, die Charles Simonds seit den frühen 70er-Jahren baut - mittlerweile nicht mehr nur in seiner Heimatstadt New York, sondern auch in Chicago, Paris, Zürich, London, Genua, Beijing und jetzt in München.

Gemacht sind sie aus Ton, und der große Reiz besteht vor allem darin, sie zufällig zu entdecken. Sei es auf einem Fenstersims, sei es auf einem Mauervorsprung oder in einem Schaufenster wie in der Stadtbibliothek im Münchner Stadtteil Hasenbergl. Wobei hier Schüler der Willy-Brandt-Gesamtschule am Werk waren, Simonds gab nur die Anregungen und unterhielt sich lieber mit seinen jungen Helfern.

"Je weniger man den Kinder vorgibt, desto besser, die Ideen kommen ganz von alleine", sagt er. Und auch die Kommentare und Erklärungen. Ein Mädchen etwa habe in die Häuserlandschaft einen fensterlosen Panikraum gesetzt, in den könne man fliehen, wenn einem alles zu viel würde.

Und selbst Zerstörungen spielen eine Rolle. Manche Kinder, die mit ihren Eltern aus Krisengebieten geflohen sind, verarbeiten die Erlebnisse aus der alten Heimat und blicken dabei meistens auch nach vorn. Hussein aus dem Irak hat sich ein zweigeteiltes Haus ausgedacht: Eine Hälfte ist bombardiert, die andere wieder aufgebaut. Über alles Weitere darf sich der Betrachter selbst seine Gedanken machen. Simonds versteht seine Arbeit nicht politisch, "wenn sie aber so wahrgenommen wird, ist das völlig in Ordnung".

Vier weitere Dwellings sind bis Ende Juli in München geplant. Die ganze Stadt hat Simonds dafür abgefahren, sich in jedem Viertel umgesehen. "An einem neuen Ort spüre ich sofort, wie die Stimmung ist, ob sie für mich passt", erklärt er. Vor dem Hasenbergl habe man ihn im Hotel heftig gewarnt, das sei ein sehr problematischer Stadtteil, amüsiert er sich jetzt noch. Aber ein New Yorker hätte in dieser Sache etwas andere Maßstäbe. Deshalb schaut er besser selber nach. Im Hasenbergl sei jedenfalls eine "good neighbourhood", also eine gute Nachbarschaft, betont Simonds. Wo sich die "little people", wie er sie nennt, demnächst niederlassen? Das müsse man schon selbst herausfinden. In der Hoffnung, dass die Häuser dann auch bleiben.

Das letzte Dwelling in München-Giesing scheint einem Passanten so gut gefallen zu haben, dass er es restlos abtrug. Den Künstler ärgert das keineswegs, "das zeige doch nur, dass die Leute die Dwellings mögen".

Kunstraum München, Holzstraße 10: Ausstellung des gesamten Projekts von 6. bis 30. Juli. Weitere Termine: www.dwellingmunich.de" class="more"%>.