München
Die Malerei neu erfinden

Werke von Kerstin Brätsch im Münchner Museum Brandhorst Heute Künstlergespräch

18.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:56 Uhr

Unter dem Namen "Das Institut" arbeitet Kerstin Brätsch seit 2007 mit der Künstlerin Adele Röder zusammen. Ein Werk aus der Serie "I'll See You Again in 25 Years". - Foto: Brätsch/Röder, Museum Brandhorst

München (DK) Der Ausstellungstitel gibt sich programmatisch: "Kerstin Brätsch - Innovation." Will hier eine Künstlerin die Malerei neu erfinden? Kuratorin Patrizia Dander vom Museum Brandhorst hat eine andere Erklärung: "Innovation" hieß der Werbeslogan für Kompressoren der Hamburger Firma Brätsch - gegründet vom Großvater der Künstlerin. Kompressoren verdichten Gase, und die Künstlerin ironisiere somit den Druck, der durch den Kunstmarkt auf Künstler ausgeübt werde, immer neue Werke zu produzieren, erklärt die Kuratorin.

Die Künstlerin aber gibt dem Druck offensichtlich nach - sonst könnte sie nicht 60 Malereien zeigen, die mit einer Durchschnittshöhe von zwei Metern und 80 Zentimetern das übliche Maß für Leinwandbilder sprengen.

Aber Brätsch malt nicht auf Leinwand, sondern auf Papier oder Polyesterfolie. Und sie holt sich das Know-how von mitarbeitenden Kunsthandwerkern - die Kunst des Glasblasens oder des Marmorierens werden von ihr eingesetzt, um Werke wie "mundgeblasene Neonröhren" und zweckfreie Glas-Objekte zu schaffen, oder sie konfrontiert die marmorierten Papierbahnen mit der Maserung von geschliffenen Halbedelsteinen. Zuweilen schreckt die Künstlerin auch nicht vor Tabus zurück. So dekoriert sie ein rosa-weißes Kinder-Holzhaus mit bemalten "Bodybags", die nichts anderes als Leichensäcke sind, grob vernäht mit Polyesterfolien.

Aber Brätsch kann auch ganz anders. Im Untergeschoss des Museums hängen in einem Labyrinth von metallenen Aufstellern große Papierbahnen, die Gesichter zeigen. Entstanden sind sie während des Studiums an der New Yorker Columbia-Universität, als Brätsch zahlreiche Wahrsagerinnen aufsuchte. Augen wie aufgeschnittene Apfelsinen-Scheiben leuchten rot auf, die Nase ist mit einem schwarzen Balken durchgestrichen, der Mund ist nur halb zu sehen. Ein anderes Gesicht ist in geometrische, kristalline Formen aufgelöst. Und dann, auf einem kupferfarben glänzenden Bildträger, schaut plötzlich ein ganz realistisch gemaltes Auge den Betrachter an und schockiert denjenigen, der Abstraktion erwartet hat.

Die Ausstellung ist vielfältig. Sie zeigt Malerei, die an die Masken primitiver Völker erinnert; sie zeigt Arbeiten, die an Kunsthandwerk anknüpfen; aber ebenso sind Dia-Serien, ein Film von Alexander Kluge mit Werken der Künstlerin, Airbrush-Malerei auf den Wänden und die Installation mit dem Kinderhaus zu sehen.

Die 1979 in Hamburg geborene und in New York lebende Künstlerin gibt sich persönlich eher scheu, ihre Werke aber sprengen die üblichen Dimensionen. Vielleicht will sie ja doch die Malerei ganz neu erfinden. Auskunft dazu könnte das Künstlergespräch geben, das am heutigen Montag um 19 Uhr im Museum Brandhorst Kerstin Brätsch und Alexander Kluge unter der Leitung von Matthias Mühling vom Lenbachhaus führen.

Museum Brandhorst, Theresienstraße 35 a, München, bis 17. September, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr.