München
Die Geschichte eines Berufes

Die Pinakothek der Moderne in München zeigt eine spannende Ausstellung über Architekten

09.10.2012 | Stand 03.12.2020, 0:58 Uhr

Der Baumeister von Pharao Ramses II.: Würfelstatue des Bekenchon, um 1320 v. Chr - Foto: Liepe

München (DK) Wie arbeitet eigentlich ein Architekt? Und welche Stellung hat er in der Gesellschaft? Hat sich dieser Beruf durch die Jahrhunderte verändert? Und wie sieht die Zukunft dieses Berufsstandes aus? Diesen Fragen geht eine umfangreiche Ausstellung nach, die zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum den Beruf des Architekten wissenschaftlich untersucht. „Der Architekt – Geschichte und Gegenwart eines Berufsstandes“ lautet der Titel der Schau, die vielfältig und spannend ist, die mit zahlreichen Leihgaben interessante Facetten aufblättert und die durch ein Katalogkompendium Grundlagenforschung leistet.

Die Geschichte dieses Berufes beginnt vor rund fünftausend Jahren. In Ägypten waren Architekten die höchsten Staatsbeamten, wurden sogar als Gott verehrt und verwirklichten Großprojekte. Die massige Würfelstatue von Bekenchon, eine Leihgabe aus dem Ägyptischen Museum, steht zu Beginn des Rundgangs für den Baumeister, der unter Pharao Ramses II. wirkte. Ganz anders dagegen der Status des Baumeisters im europäischen Mittelalter: Er wird dargestellt mit Lederkappe oder Manteltuch und stützt als Atlant gleichsam das gesamte Gebäude – so ein Gipsabguss vom Mainzer Dom.

Ein persönliches Gesicht bekommt der Architekt erst in der Renaissance – beispielhaft ist die Totenmaske von Brunelleschi. Solche Darstellungen zeugen von Selbstbewusstsein – die Gegenbewegung folgt im Barock, als die Baumeister dienende Hofkünstler der herrschaftlichen Bauherren sind. Ihr Können dient zunehmend auch dem Ausbau von Militäranlagen, und das führt letztlich zu einer Aufspaltung des Berufes in den spezialisierten und die Statik berechnenden Bauingenieur einerseits und den Architekten andererseits, der sich zum Künstler stilisiert. „Plastik, Malerei und die Kunst der Raumverhältnisse schmelzen bei ihm in einer Kunst zusammen“, resümiert der preußische Architekt Karl Friedrich Schinkel seinen Berufsstand – er nimmt den barocken Traum vom Gesamtkunstwerk im 19. Jahrhundert wieder auf. Schinkel ist auch ein Beispiel dafür, dass Architekten-Entwürfe die Theaterbühnen erobern – sein Prospekt zu Mozarts „Zauberflöte“ wird bis heute eingesetzt. Die Ausstellung verdeutlicht die Themenbereiche nicht nur anhand von vielen Bildwerken, Zeichnungen und Fotografien, sondern erläutert auch die Rolle des Architekten im Film und die Verknüpfung von Architektur und Musik. An Hör-Stationen wird beispielsweise eine Brücke geschlagen zwischen der Architektur des Berliner Jüdischen Museums von Daniel Libeskind und einer Vertonung von Arnold Schönberg.

Dem Thema Skizze, Aufriss und Modell widmet sich am Ende der Ausstellung ein ganzer Saal. Hier wird auch das alltägliche Zeichenwerkzeug gezeigt, wie es noch vor wenigen Jahrzehnten in jedem Architekturbüro zu finden war – inzwischen hat freilich der Computer den Zeichentisch abgelöst. Das Modell aber ist zeitlos: So wie Balthasar Neumann seine barocken Kirchen im kleinen Format aus Holz bauen ließ, so überzeugen moderne Architekten ihre Bauherren mit Modellen aus Plastikmaterial. Die Studien zur Proportion und ihre Berechnung lassen sich auf einer Vielzahl von Zeichnungen beobachten – von der antiken Ritzzeichnung über mittelalterliche Aufrisse bis hin zu den Neo-Renaissance-Entwürfen eines August Thiersch zu Ende des 19. Jahrhunderts. Der Harmonie von Formen und der Vielfalt von Strukturen haben alle Architekten immer nachgespürt – und jeweils neue Antworten für ihre Zeit gefunden.