München
Der Teufel geht online

Eine ungewöhnliche Kooperation lockt in München Instagram-Fotografen in die Operette

16.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:40 Uhr

Bei den Proben zu "Der Teufel auf Erden": Regisseur Till Kleine-Möller und Darstellerin Elizabeth Marshall. - Foto: Busch-Frank

München (DK) Treffpunkt Akademietheater. Am kommenden Montag hat sich der harte Kern der Instagram-Community des Münchner Umlandes einen festen Termin gesetzt. Gemeinsam geht es in eine Operettenprobe, voller Neugierde und die Handykamera im Anschlag.

Pressesprecher Johannes Lachermeier will mit einem Social Media Event zusammenbringen, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört: die digitale Welt der schönen Bilder und die mit Schweiß und Tränen handgemachte gute alte Tante Theater. Instagramer, sind das nicht die Menschen, die ständig ihr Essen fotografieren und die Welt mit Selfies sättigen? Wer auf der Homepage der "igersmunich" hängengeblieben ist und sich durch viele eitle Selbstporträts von Teenagern und selbstoptimierten Fitnessgöttern geklickt hat, wird diese Theorie unterschreiben - doch der ehrenamtliche Community Manager Björn Kindler (43) winkt ab. "Das ist ein Klischee. Auch viele Fotografen nutzen das Medium, um einen anderen Blickwinkel zu suchen. Ich interessiere mich zum Beispiel für Landschaft und Städte." Und für Kultur offensichtlich, denn unter dem semiprofessionellen Fotografen Kindler, der hauptberuflich für eine Werbeagentur arbeitet, und seiner Mitverantwortlichen Anja Sauer haben die Münchner Fotofans eine Kulturschiene etabliert, die sie bereits in die Staatsoper, ins Lenbachhaus und ins Cuvilliéstheater geführt hat.

Letztlich ist diese hippe Gruppe nämlich eigentlich nichts anderes als die zeitgemäße Variante des guten alten Fotoclubs: Mit ein paar Klicks trägt man sich als Interessent ein und bekommt dann alle zwei Monate Einladungen für gemeinsame Fototermine. Dann versammeln sich meist etwa 30 Aficionados zwischen 13 und 60 Jahren und alle Bilder, die dabei entstehen, werden unter einem gemeinsamen Hashtag im Internet geteilt. Technisch gilt dabei der Ehrenkodex, mit der Handykamera zu fotografieren und die Bilder auch mit diesem Werkzeug zu bearbeiten.

Kindler begeistert neben dieser Bandbreite vor allem die Chance, unkompliziert ein breites Spektrum von Menschen mit seinen Bildern zu erreichen: "Mit einem Klick sendet man in die ganze Welt. Ich habe schon mal postwendend eine Reaktion bekommen von einem Thai, der an der Bushaltestelle saß und von der Arbeit heimfahren wollte - und zugleich von einer amerikanischen Mutter, die ihren Kindern gerade das Frühstück gemacht hat." Die Klickzahlen belegen seine Beobachtung: Oft haben täglich 300 Menschen für ein Bild bei Instagram Munich ihr "like" hinterlassen.

Also ist es kein schlechter Schachzug der Theatermacher, sich die Fotografen ins Haus zu holen, zumal Regisseur Till Kleine-Möller sowieso alles andere als eine konventionelle Operetteninszenierung vorbereitet: Franz von Suppés "Der Teufel auf Erden" aus dem Jahr 1878 war hierzulande noch nie auf einer Bühne zu sehen, obwohl der Dreiakter sehr komisch und musikalisch gelungen sein soll. Wer allerdings Hörproben sucht, landet eher bei Bushidos gleichnamigem Rap als bei Suppé: Dessen "Teufel" ist mehr als nur halbvergessen.

Die Premiere am 1. Juli im Akademietheater könnte also ein Operetten-Coup werden - für den Kleine-Möller (25) allerdings eine ungewöhnliche musikalische Umsetzung wählt: Komponist Tom Smith und Arrangeur Jacopo Salvatori haben das Material kräftig bearbeitet. Der Regisseur findet dieses Vorgehen stimmig: "Operetten wurden damals ja konzipiert wie später Schlager, als Ohrwürmer für das Bürgertum. Darum hört man auch bei uns Italian Rock, Bebop oder Heavy Metal." Darstellerin Elizabeth Marshall findet: "Schon bei Suppé steckt in der Musik viel Jazz, das hat mich überrascht, diese Frechheit und Provokation." Beide freuen sich auf das Experiment, den Fotografen schon ein frühes Stadium ihrer Arbeit zeigen zu dürfen und fürchten sich nicht vor peinlichen Schnappschüssen. Nach einem Fototermin auf der Hinterbühne und in den Garderoben dürfen die igersmunich nämlich eine Klavierhauptprobe fotografieren.

Regisseur Kleine-Möller vermutet: "Das ist für die Insta-gramer sicher spannend, sie bekommen nicht das fertige Stück, sondern den Prozess zu sehen, das hat einen Reiz. Wer später auch noch die Vorstellung ansieht, wird den Kontrast von zehn Tagen spürbar erleben. Außerdem gibt es beim Theater ja ohnehin sehr vielseitige Perspektiven, die Chance auf ganz unterschiedlichen Fokus. Das kann auch für uns ein bereichernder Moment sein, wenn man später die Bilder gezeigt bekommt und sieht, welche Momente als besonders bemerkenswert aufgefasst werden." Der Instagramer Kindler hat bisher 25 Anmeldungen für das Shooting und verspricht: "Wenn noch jemand aus Ingolstadt kommt, nehmen wir den gerne mit!"

 

Der Probenbesuch findet am Montag, 20. Juni, ab 18.30 Uhr statt. Anmeldung unter Facebook oder über die Bayerische Theaterakademie, Telefon (089) 21 85 02.