München
"Der Schauspieler spürt den Knopf im Knopfloch"

24.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:53 Uhr

Foto: DK

München (DK) R O S E – vier Buchstaben zeigen derzeit die großen Fenster der Akademie der schönen Künste, und oben auf dem First stehen rote, elegante Figuren. Ein Blickfang für die Ausstellung, welche derzeit hier zu sehen ist, und eine Hommage an einen großen Münchner Theatermacher. Jürgen Rose feiert heute seinen 78. Geburtstag.

Zu diesem Anlass verlost das Deutsche Theatermuseum heute unter allen Besuchern der Ausstellung drei handsignierte Kataloge.

 

Herr Rose, wie haben Sie diese Ausstellung zusammengetragen – wo lagern all die Kostüme und Skizzen, Fotografien und Modelle normalerweise?

Jürgen Rose: Die Modelle gehören mir, sie waren früher in den Kammerspielen, dann im Residenztheater aufbewahrt, teilweise auch bei mir zu Hause – später werden sie wohl einmal dem Theatermuseum gehören. Ich habe im Vertrag immer stehen, dass nach Ende der Produktion alles an mich zurückgehen muss. Aber die Kostüme, die hier ausgestellt werden, sind zum Teil noch in Gebrauch! Ich wollte beispielsweise in Bonn nachfragen, ob noch was von meiner „Zauberflöte“ aus dem Jahr 1996 da sei – da sagte man mir: „Aber die spielen wir ja noch!“

 

Für Tänzer oder Sänger zu arbeiten macht sicher einen großen Unterschied, oder?

Rose: Sicher brauchen Tänzer ein anderes Bewegungsspektrum als Schauspieler, man muss das Kostüm anders denken, aber letztlich müssen beide es annehmen und als ihre Haut tragen. Das geht weit über das, was Mode kann und will hinaus. Aber es muss natürlich auch praktikabel sein. Für die Isolde an der Met hatte ich beispielsweise zwei wunderschöne afrikanische Königstücher gefunden – und darin haben letztlich drei ganz unterschiedlich voluminöse Sängerinnen gespielt. Manchmal brauchte ich da beide Tücher, denn ich habe ja auch bei einer dicken Sängerin den Ehrgeiz, dass die auch gut aussieht – manchmal reichte nur eines. Wenn man ein Stück lange spielt, dann kauft man sowieso etwas mehr Stoff, damit man zwei Taillen fertigen kann.

 

Sie nehmen sich viel Zeit für Ihre Arbeit – wie schaffen Sie es, sich von materiellem und äußerem Zwang zu distanzieren?

Rose: Das ist sicher auch ein Spleen, eine Marotte von mir, sich da so hineinzuvertiefen. Wenn ich selbst inszeniere, benutze ich die Modelle, um das Stück minutiös durchzuspielen. In den letzten Jahren haben die Figurinen aber auch an Bedeutung verloren, es gibt dafür Arbeitsskizzen, und ich habe begonnen, die Kostüme am Menschen zu modellieren. Mein Leben ist das Theater – das war so nicht gedacht, aber irgendwie ist dann doch das draus geworden.

 

Ihre Figurinen zeigen auch, dass Sie ein fantastischer Maler und Zeichner sind – verweigern Sie sich dem Trend, Computerbilder und Stoffmuster zu einem Entwurf zu vereinen?

Rose: Ich muss das so machen, denn ich habe noch nie in meinem Leben eine Computermaus in der Hand gehabt, ich kann das nicht. Ich bin ein Autodidakt, die einzige Ausbildung, die ich habe, ist eigentlich Schauspielschüler, aber ich habe schon als Kind gern gezeichnet. Ich habe auch die Laune, für jedes Stück eine andere Technik auszuprobieren. Wenn ich die Bilder hier jetzt gerahmt sehe, dann irritiert mich das selbst. Ich kenne das nur in Mappen, eben als Skizzen für die Werkstätten und ich komme ja auch aus einer Zeit, als in den Verträgen noch stand, dass man erkennen können muss, wie das Kleid sein soll.

 

Sie waren Schüler der Odenwaldschule, brach sich dort die Theaterleidenschaft die Bahn?

Rose: Nein, ich hatte von klein an den Willen zum Theater, hatte ein Kasperletheater, bei dem die Prinzessin immer ein neues Kleid bekam – obwohl ich ein Bauernsohn bin. Meine Großmutter ist mit mir als Siebenjährigem nach Dessau zum „Tannhäuser“ gefahren, nach dem Kühemelken. In der Odenwaldschule habe ich dann schon Ausstattungen für die Klassenaufführungen gemacht.

 

Sie gelten als großer Sammler und Finder von neuen Stofflichkeiten.

Rose: Ich gehe zu Sattlern und kaufe die alten, brettharten Lederriemen, kaufe auf Reisen, färbe, stelle neue Stoffe zusammen … man kann natürlich die Inspiration suchen von Materialien aller Welt. Ich habe mich in meine Arbeit auch immer hineingekniet, auch wenn man Details manchmal vom Publikum aus nicht sieht. Aber der Schauspieler spürt den Knopf im Knopfloch. Dazu hat mich auch Rudolf Noelte erzogen, von ihm bekam ich damals Briefe, in denen stand: „Gab es bei Ibsen schon Gummisohlen“ Da hab ich das gelernt, diese ganzen Details, das hat mich auch einen hohen Anspruch gelehrt.

 

Was denken Sie heute, wenn Sie hier in der Ausstellung auf Ihr reiches Theaterschaffen sehen?

Rose: Im positivsten Sinn habe ich einen dienenden Beruf – wir sind absolut abhängig von den Handwerkern, ohne die sind wir gar nichts. Wenn der Vorhang aufgeht, dann muss der Tänzer oder Sänger das Maß geben. Das zu erkennen, war für mich ein Prozess von Jahrzehnten, da wird man bescheiden, demütig gegenüber dem Protagonisten. Ich hoffe jetzt, dass die Zeit der fertigen Anzüge und Kleider auf der Bühne bald abebben wird und dass die junge Generation dann wieder Lust hat, auf Entdeckungsreise zu gehen.

 

Das Interview führte

Sabine Busch-Frank.

 

Deutsches Theatermuseum und Bayerische Akademie der Schönen Künste, bis 18. Oktober.